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Die Deutsche vor einer ihrer Ausstellungsstücke (Foto: © Susanne Nielsen)
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Susanne Nielsen repräsentiert ihre deutsche Heimat beim German Heritage Tag in Orlando. (Foto: © Susanne Nielsen)
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Neben der Tätigkeit als freischaffende Künstlerin lehrt Nielsen auch an einem College in Florida. (Foto: © Susanne Nielsen)
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Pinsel immer in der Hand: Die Kunst ist ein fester Bestandteil im Leben der Auswanderin. (Foto: © Susanne Nielsen)
Seit wann leben Sie in den USA und wie kamen Sie auf den Gedanken auszuwandern?
Seit meinem fünften Lebensjahr sind die USA für mich immer eine Heimat gewesen. Mein Vater wollte in den 50er Jahren nach San Franciso auswandern. Er bekam damals vom Auswärtigen Amt das Angebot für seinen ersten Posten im Generalkonsulat in San Francisco – der Stadt seiner Träume.
Es waren meine ersten vier Jahre in den USA, wo ich die Grundschule besuchte und das schöne Klima in dieser geliebten Metropole des Westens genoss. Mein Bruder wurde dort geboren. Nach weiteren drei Jahren in Island zogen wir nach Deutschland zurück. Ich besuchte ein Gymnasium in Bonn, der damaligen deutschen Hauptstadt, zusammen mit vielen anderen Diplomatenkindern. Ich sprach viel Englisch und hatte seitdem den Wunsch, in die USA zurückzukehren.
Nach dem Studium meiner beiden "großen Lieben" – der englischen Sprache und der Kunst – lernte ich meinen amerikanischen Mann kennen, der als Austauschpilot der US-Luftwaffe einige Jahre bei der Deutschen Luftwaffe Jagdflieger war und somit auch perfekt Deutsch sprach. Es war klar, dass ich bei seiner Versetzung in die USA mit ihm zurückkehren würde.
War es schwer, das Leben in Deutschland hinter sich zu lassen?
Ich kannte die USA ja aus meiner Kindheit, aber ein Leben dort als Erwachsene brachte natürlich viele neue Hürden mit sich. Weil ich mich schon früh alle paar Jahre neu orientieren musste, habe ich gelernt, dass man nichts erwarten kann und für alles Neue offen sein muss.
Dass ich über die Jahre nie meinen amerikanischen Akzent verloren hatte und meine Englischkenntnisse auch bald auf ein Erwachsenenvokabular erweitern konnte, war nicht immer von Vorteil. Mit einem Akzent werden einem eher Fehler nachgesehen.
Ich bin in meiner Einstellung und meinem Wertesystem Europäerin. Das mag in einer Großstadt wie New York akzeptiert werden, aber in einer Kleinstadt im amerikanischen Süden, in die wir damals zogen, war mir vieles zunächst unverständlich.
Ich habe Deutschland jedoch nie "hinter mir gelassen". Ich bin Staatsbürgerin beider Länder und pendele so oft ich kann. Seit ich in Florida lebe, reise ich zweimal im Jahr nach Deutschland, wo meine Familie lebt. Ich habe Freunde und Bekannte, die wie ich in Florida und Deutschland leben. Dadurch bin ich weiterhin beiden Ländern verbunden.
Ich habe zwanzig Jahre gewartet, bis ich die US-Staatsbürgerschaft beantragt habe. Das wurde für mich erst interessant, als die Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich wurde. Meine deutsche Staatsbürgerschaft aufzugeben kam für mich nie in Frage, war sie doch mein Anker in einem sonst so unsteten internationalen Leben.
Sind Sie über ein Visum oder über die Greencard in die USA gekommen?
Ich habe einen amerikanischen Offizier geheiratet. Als Ehefrau bekam ich dann eine Greencard. Sowohl die Hochzeitsbewilligung als auch meine Auswanderung in die USA dauerten jeweils ein halbes Jahr.
Was machen Sie jetzt in den USA?
Ich hatte in Deutschland mein Anglistikstudium abgeschlossen und ein Promotionsstudium in Kunstgeschichte begonnen. Nun hatte ich in den USA zunächst die Wahl, täglich in die eine Stunde entfernte Stadt zum Kunststudium zu fahren oder anderthalb Stunden entfernt mein Studium in Kunstgeschichte zu beenden. Ich entschied mich für die Malerei und unterrichte seit Jahren an Universitäten, Colleges und Museen sowohl kunstpraktische als auch Kunst- und Kulturgeschichtskurse.
Seit meiner Kindheit male ich und so ist die Kunst weiterhin ein Teil meines Lebens. Ich arbeite zwei- und dreidimensional, also Bilder und Mixed-Media-Skulpturen, von Aquarell bis Acryl, von Holz bis Seide. Meine Arbeiten erzählen Geschichten, spannen den Bogen zwischen Deutschland und anderen Kulturen. Ich erzähle, was ich weiß, und liebe das Spiel mit Ideen und Materialien. Ich habe damit schon früh Preise gewonnen, von "Best of Show" bis "National Fiber Award". Auch habe ich an den für Florida typischen, jeweils ein Wochenende dauernden "Outdoor Art Shows" wie dem "Gasparilla Festival of the Arts" oder "Mayfaire by the Lake" teilgenommen. Eine Jury wählt einen unter hunderten von Bewerbern aus und unter den 300 ausgewählten Teilnehmern werden Preise im Wert von 1.000 bis zu 15.000 Dollar vergeben. Auch hier habe ich schon zu den Gewinnern gezählt.
Ich hatte Einzelausstellungen in Deutschland und hier in Florida (unter anderem im deutschen Generalkonsulat in Miami). Bis einschließlich Mai 2012 sind fünf meiner Bilder aus dem "Frauen und Magnolien"-Zyklus in der Ruth Eckerd Hall, einer der großen Performing Arts Hallen an Floridas Westküste, zu sehen. Als Thema sind hierbei Frauen aus der Werbung der 50er Jahre zusammen mit Textfragmenten und Magnolienblüten, die im Süden eine mehrschichtige Bedeutung haben, zu erkennen.
Für meine Lehrtätigkeit schreibe ich außerdem zurzeit an meiner Dissertation im Fach Kunst.
Gehen Sie Ihrem alten Beruf nach oder haben Sie etwas ganz Neues angefangen?
Ich kam in die USA mit dem Wunsch, meiner Kunst mehr Zeit zu widmen, und mein Studium der Kunstgeschichte mit der Promotion abzuschließen. Beim Studium kamen viele andere Aktivitäten wie eine Galerieassistenz oder Kunstkritik dazu. Später suchten befreundete Rechtsanwälte Übersetzer. Nach einem Lehrgang wurde ich zudem interkulturelle Trainerin für Großfirmen, die Mitarbeiter im neuen Land orientieren und sprachlich ausbilden.
Seit 2003 bin ich Rotarierin. Rotary International entsandte mich als Teamleiterin eines dreiköpfigen GSE-Teams (=Group Study Exchange) nach Bangladesch. Dieser einmonatige kulturelle Austausch hat mich in meiner Arbeit als Dozentin und Künstlerin enorm bereichert. Meine Arbeit in dieser gemeinnützigen Organisation hat einen großen Stellenwert in meinem Leben.
Was ist der Erfolgsfaktor, um in Amerika Fuß zu fassen?
Sicherlich ist die Basis für ein neues Leben zwar in erster Linie Mut zum Neuen. Wichtig ist aber auch die Vorarbeit und umfassende Recherche. Startkapital ist unerlässlich. Auch die Kenntnis, was das tägliche Leben ausmacht, ist wichtig. Es ist hilfreich, einen Mentor zu haben, der einem Fragen beantworten kann.
Wer als Familie auswandert, wird feststellen, dass es oft die Kinder sind, die sich am schnellsten anpassen. Wer einem Partner in die USA folgt, muss wissen, dass nichts so ist, wie man es von zuhause kennt. Auch der Partner lebt und verhält sich in seinem Land ganz anders. Man muss einfach lernen, umzudenken.
Leben Sie jetzt "den amerikanischen Traum"?
Mancher mag mein Leben vielleicht beneidenswert finden. Aber der Traum, den Menschen hier suchen, ist ja stets ein sehr persönlicher Traum. Und vieles sieht auf der anderen Seite des Zauns immer ein bisschen grüner und glorreicher aus. Dass es nicht unbedingt besser als das Leben anderer ist und dass es auch nicht ohne Schwierigkeiten abläuft, wird in den Erfolgsstorys meist nicht erzählt.
Was genießen Sie am meisten am Leben in Florida?
Ich genieße natürlich das Wetter und den blauen Himmel, besonders nach vielen trüben Jahren in Deutschland. Am allerschönsten ist hier der Frühling. Weil ich viel Auto fahre, genieße ich die herrlichen Wolkenformationen.
Welche Vorteile hat man in Amerika?
In den USA wird einem die Vergangenheit nicht hinterhergetragen. Man kann (und muss) sich täglich neu erfinden. Das erfordert Energie, Kreativität und Umdenken. Am Misserfolg hält sich hier keiner auf, man schaut nach vorn.
Vermissen Sie Dinge, die Sie aus Deutschland kennen?
Ich vermisse die Straßencafés aus Deutschland und die langen Abendessen mit guten Gesprächen aus Frankreich. Letztere sind in den USA aus Zeitgründen einfach nicht möglich. Wer hier arbeitet, hat weder Zeit für den Strand, noch für ein Glas Wein nach dem Theaterbesuch, wenn die Fahrt nach Hause noch ein bis zwei Stunden dauert. In Florida sind alle Wege weit.
Gibt es Momente, in denen Sie sich nach Deutschland zurücksehnen?
Momente vielleicht, aber dann denke ich an alles Schöne und diese unglaubliche Freiheit, die man hier hat.
Was waren die größten Schwierigkeiten, mit denen Sie zu kämpfen hatten?
Meine größten Schwierigkeiten waren das Leben in der Kleinstadt in einer sehr konservativen Militärgesellschaft. Vor allem das Verhältnis zu den dort lebenden Frauen, für die einzig eine Rolle als Mutter in Frage kam, während ich meinem Studium nachging. Ich hatte dort keinen Kontakt zu Deutschen und in den ersten zwei Jahren konnte ich auch nicht nach Deutschland reisen. Nach und nach fand ich jedoch Anschluss und Anerkennung über die Kunst. Darauf konnte ich weiter aufbauen.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Mein nächstes Ziel ist es, meine Dissertation zu Ende zu schreiben. Ich möchte weiterhin meine Studenten mit Wissen und neuen Erfahrungen bereichern, ihnen die Welt öffnen und sie dazu anregen, selbst globale Erfahrungen zu sammeln.
Ich möchte weiterhin viel erleben und aus meinen gesammelten Erfahrungen Kunst schaffen, die andere Menschen bereichert.
Was raten Sie Leuten, die mit dem Gedanken spielen, nach Amerika auszuwandern?
Man sollte sich umfassend und vor allem direkt vor Ort informieren. Es hilft, sich mit anderen Auswanderern auszutauschen und vielleicht erst mal ein Jahr zur Probe in den USA zu leben. Man sollte Startkapital mitbringen und einen Arbeitgeber finden, bevor man alle Zelte abbricht. Viele rechtliche Dinge kann man nicht wissen. Daher lohnt es sich, diese mit einem guten Immigrationsanwalt durchzusprechen.