Das Ende der Greencard-Verlosung? (Foto: © Leena Robinson)
Am 31. Oktober fuhr der aus Usbekistan stammende Sayfullo Saipov mit einem gemieteten Truck auf einen Fahrradweg im Süden von Manhattan, tötete acht Menschen und verletzte elf weitere teilweise schwer. In einer in dem Pick-up-Truck hinterlassenen Botschaft berief sich der Täter, der 2010 über die Greencard-Lotterie ins Land gekommen war, auf die islamistische Terrororganisation IS. Obwohl die Ermittler davon ausgehen, dass sich Saipov erst in den USA radikalisierte, forderte Präsident Trump als Reaktion auf den Anschlag die Abschaffung der Greencard-Verlosung, die es ermöglicht habe, dass der Attentäter ins Land gekommen sei. Wie CNBC berichtet, verkündete Trump bei einem Meeting im Weißen Haus, er werde dem Kongress vorschlagen, das lotteriebasierte Visavergabeprogramm durch ein Punktesystem zu ersetzen, bei dem Einwanderer aufgrund ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten wie etwa der Berufsausbildung, ihres Alters oder der ihnen verfügbaren finanziellen Mittel ausgewählt werden.
Die Greencard-Lotterie, offiziell "diversity visa lottery", bei der jährlich etwa 50.000 Visa unter Einwanderungswilligen aus Ländern verlost werden, aus denen relativ wenige Menschen auf anderen Wegen in die USA immigrieren, wurde 1995 eingeführt. Wie USA Today erläutert, stellte das Gesetz ursprünglich eine Maßnahme dar, der illegalen Einwanderung entgegenzuwirken. Noch bis Mitte der 1960er-Jahre waren regelmäßig Immigrationsquoten für verschiedene Länder festgelegt worden. Mit der Einführung des Immigration Act of 1965 erlebte die Einwanderungspolitik einen Paradigmenwechsel: Fortan wurden vor allem Menschen ins Land gelassen, die in den Vereinigten Staaten nahe Verwandte hatten oder über Fertigkeiten verfügten, die auf dem US-Arbeitsmarkt besonders gefragt waren. Dies führte dazu, dass insbesondere emigrationswillige Iren, die der Wirtschaftskrise in ihrem Heimatland entfliehen wollten, aber weder über enge Familienangehörige in den Vereinigten Staaten verfügten noch den gesuchten Berufsgruppen angehörten, praktisch keine legale Möglichkeit mehr hatten, in die USA einzuwandern. In der Folge gingen viele von ihnen dazu über, einfach mit einem Touristenvisum einzureisen und nach dessen Ablauf als nicht behördlich erfasster Einwanderer im Land zu bleiben. Als Reaktion auf diese Entwicklung schlugen irischstämmige Kongressmitglieder 1986 vor, eine Visaverlosung unter den Angehörigen jener Herkunftsländer durchzuführen, die infolge des Immigration Act unter den Einwanderern stark unterrepräsentiert waren. Auf diese Weise erhielten Tausende von Iren die Möglichkeit, legal in die USA einzuwandern. 1990 wurde dann das Gesetz zur permanenten Einführung der Greencard-Lotterie ausgearbeitet, das fünf Jahre später in Kraft trat.
Donald Trumps Schlussfolgerung, die Zufälligkeit bei der Auswahl der Immigranten durch die Greencard-Lotterie begünstige die Einwanderung potenzieller Terroristen, erfährt in den Kreisen von Leuten, die sich mit dem Prozedere bei der Einwanderung in die USA auskennen, keine große Zustimmung. Wie Peter H. Schuck, emeritierter Rechtsprofessor der Yale University, gegenüber USA Today ausführt, wird jeder, der in die USA einwandern will, denselben strengen Sicherheitsüberprüfungen unterzogen, ganz gleich, nach welchem System die Auswahl der Immigrationsaspiranten vorgenommen wird. Ein Terroranschlag wie jener in New York sei ähnlich wie ein Blitzeinschlag, mit dem man trotz noch so sorgfältiger Gegenmaßnahmen letztlich immer rechnen müsse. Gleichwohl hält Schuck es für "töricht", die Einwanderer durch ein Losverfahren zu bestimmen, anstatt sich die Leute auszusuchen, die die Wirtschaft des Landes besonders gut gebrauchen könne. Demgegenüber spricht sich die auf Immigration und amerikanische Außenpolitik spezialisierte Historikerin Carly Goodman in einem Beitrag in der Washington Post für die Beibehaltung der Greencard-Lotterie aus und lobt sie als "machtvolle öffentliche diplomatische Maßnahme, die für die Offenheit und Großzügigkeit der USA" stehe und den Steuerzahler im Übrigen aufgrund der erhobenen Visagebühren kein Geld koste.