Florida Sun Magazine: Jacqueline, vor 25 Jahren hast du das Florida Sun Magazine gegründet.
Jacqueline C. Freund: Unglaublich, wie schnell die Zeit verflogen ist!
Wie hat sich Florida aus deiner Sicht in dieser Zeit verändert?
Damals erschien mir der Sunshine State noch wesentlich ruhiger und beschaulicher als heute. Die rasante Entwicklung lässt sich allein schon an Dingen wie der Skyline von Miami ablesen – oder an den vielen neuen Wohnsiedlungen und Apartmentkomplexen, die überall entstanden sind und weiter entstehen. Vor 25 Jahren lebten rund 15 Millionen Menschen in Florida, heute sind es 23 Millionen. Die Dynamik, mit der sich diese Entwicklung vollzieht, ist atemberaubend. Wobei man natürlich nicht verschweigen darf, dass damit auch Dinge wie Umweltbelastung und eine gewisse Zersiedelung einhergehen. Dies gilt es behutsam zu managen.
Einem deutschsprachigen Florida-Magazin bescherte dieser Boom aber doch gute Startvoraussetzungen, oder?
Durchaus, denn auch das Interesse und die Begeisterung der Europäer für Florida stieg mit der Zeit ja rasant an. Unsere Leser sind absolute Florida-Fans, reisen häufig in ihren geliebten Sonnenscheinstaat, und viele haben sich irgendwann sogar dazu entschlossen, hier eine Ferienimmobilie zu erwerben oder ganz in Florida zu leben.
Bist du selbst immer noch so verliebt in Florida wie damals, als du hierher gezogen bist?
Ohne Einschränkung ja! Allein der Himmel hier, so offen und weit, lässt einen nie wieder los. Wir haben in Florida zwar keine Berge, aber unglaubliche Wolken, die vor allem im Abendlicht von einer grandiosen, fast greifbaren Erhabenheit sind. Und wenn ich abends auf meiner Terrasse sitze, die Zikaden zirpen und die warme Luft mit ihrem typischen, oft tropisch-erdigen Duft sanft herüberweht, frage ich mich manchmal, ob das alles wirklich wahr ist. Dieses selige Gefühl geht bei mir auch nach all den Jahren nie ganz weg.
Du wohnst seit vielen Jahren in Orlando. Gibt es etwas, was dir hier besonders gefällt?
Ja, die Jahreszeiten! Es heißt ja immer, die gebe es in Florida nicht. Aber das stimmt nicht ganz. Im Frühjahr scheint auch hier die Natur zu erwachen mit blühenden Bäumen und einer unglaublichen Farbenpracht. Die Sommer sind heiß und schwül, die beste Zeit zum Schwimmen im Pool, gerne mit kalten Getränken – und für Tagesausflüge an den Strand, um sich im smaragdgrünen Wasser abzukühlen, inklusive Bootstouren auf dem Meer, bei denen plötzlich Delfine in der Bugwelle spielen. Spätestens im Oktober lässt die Hitze in Orlando nach, und tagsüber herrscht perfektes Wetter für Spaziergänge in der Natur, Paddeltouren im Kajak oder Wasserski auf einem der vielen Seen rund um die Stadt. Halloween mit Kindern ist hier einfach herrlich, für die größeren gibt es in den Universal Studios dann die »Halloween Horror Nights« – wirklich sehr gruselig und sehr zu empfehlen!
Und der Winter?
Da kann es bei uns hier in Zentralflorida schon mal empfindlich kühl werden, während es in Miami noch sommerliche 26 Grad hat. [Lacht.] In dieser Zeit kann man ganz leicht Einheimische von Touristen unterscheiden: Während sich die »locals« dick eingemummelt in Sweater und Stiefeln zeigen, laufen die Besucher noch gerne in T-Shirt und Badelatschen herum – ihnen scheinen die niedrigen Temperaturen tatsächlich weniger auszumachen!
Und für die richtige Weihnachtsstimmung fliegst du dann in deine Heimat nach Thüringen?
O nein, die Adventszeit kann man sich gar nicht schöner als hier vorstellen! Ich liebe es, wenn die Floridianer ihre Häuser und Vorgärten weihnachtlich dekorieren, das ist unglaublich stimmungsvoll! Und die alljährliche »Candlelight Processional« im EPCOT Center mit dem großen Chor, dem feierlichen Orchester und klassischer Weihnachtsmusik bei Kerzenlicht ist für mich inzwischen »pure Christmas«!
Was sind darüber hinaus deine Florida-Highlights?
Da gibt es so viele, dass es mir schwerfällt, sie alle aufzuzählen. St. Augustine mit seinem historischen Charme zieht mich immer wieder in seinen Bann, ebenso Amelia Island mit den riesigen Eichen, lauschigen Restaurants und fast unberührten Stränden. Natürlich liebe ich die spannenden Themenparks gleich hier vor meiner Haustür in Orlando. In Miami habe ich lange gelebt, und bis heute übt die Stadt mit ihrem flirrenden, urbanen Flair, den vielen Cafés, Nightclubs, Galerien und fantastischen Restaurants eine unglaubliche Anziehungskraft auf mich aus. Palm Beach verströmt mit seinen luxuriösen Villen, der Worth Avenue und dem weltbekannten Hotel The Breakers einen gewissen Snobismus, den ich immer wieder gern erlebe. Dasselbe gilt für Key West mit seinem lässigen und toleranten Lifestyle und den herrlichen Fischrestaurants direkt am Wasser. Naples mit seiner noblen Eleganz verzaubert mich gleichermaßen wie die naturbelassenen Strände von Sanibel und Captiva Island. Dann ist da Sarasota mit seiner lebendigen Kunstszene. Auf meiner Lieblingsinsel Longboat Key sammele ich Muscheln im flachen Wasser und genieße die grandiosen Sonnenuntergänge, in Tampa besuche ich ein spannendes Footballspiel mit den Tampa Bay Buccaneers, oder ich stöbere im kleinen Örtchen Mount Dora in den vielen Antiquitätenläden – und so könnte ich noch über viele weitere Orte und Dinge in Florida schwärmen! [Lacht.] Nur mit den Gnitzen (»no-see-ums«), diesen kleinen, fast unsichtbaren Plagegeistern, konnte ich mich bis heute nicht anfreunden.
Wie sehr fühlst du dich nach all den Jahren in Florida inzwischen als Amerikanerin?
Natürlich färbt die amerikanische Art zu leben irgendwann auf einen ab. Ich habe mir hier eine Karriere aufbauen können, mein Sohn ist hier geboren – klar, dass ich die USA inzwischen als mein Zuhause betrachte, obwohl ich meine Heimat nie vergessen habe. Die Menschen hier machen es einem aber auch sehr leicht, sich willkommen und wohlzufühlen. In Florida leben Einwanderer aus aller Welt, und die Amerikaner sind extrovertiert, freundlich und lieben es, mit Fremden zu reden. Sie packen an und helfen einander. Das sieht man immer besonders dann, wenn Not am Mann ist, wie zuletzt, als Hurrikan Milton über den Bundesstaat zog und schwere Schäden anrichtete. Dann werden die Ärmel hochgekrempelt, und man lässt keinen Zweifel daran, alles wieder so aufzubauen, wie es vorher war, am besten noch schöner. Diese Mentalität, diesen generellen Optimismus habe ich über die Jahre wirklich zu schätzen gelernt!
Aber dein Deutschsein hast du deshalb nicht abgelegt?
Natürlich nicht, das werde ich immer im Herzen behalten. Schon als ich in Florida ankam, gab es die German American Business Chamber, inzwischen sind neben dem Florida Sun Magazine ja auch sehr lebendige Facebook-Gruppen wie »Deutsche in Florida« entstanden, über die sich die Menschen untereinander austauschen und Stammtische planen. Die Deutschen hier haben Florida schon immer aktiv mitgestaltet und großen Einfluss gehabt, spätestens seit vor 30 Jahren der erste LTU-Nonstopflug von Düsseldorf nach Fort Myers startete und in der Folge viele Deutsche hier Grundstücke und Ferienhäuser erwarben.
Ist der »Floridianische Traum« immer noch lebendig – insbesondere für jene, die nicht nur hier Urlaub machen, sondern versuchen, sich dauerhaft eine neue Existenz aufzubauen?
Ich denke schon! Vor allem, wenn man nicht mit der Erwartung hierher kommt, dies sei das Schlaraffenland, sondern bei aller Abenteuerlust bereit ist, hart zu arbeiten und sich nicht zu schnell entmutigen zu lassen. Amerika ist nichts für notorische Bedenkenträger, das habe ich während all meiner Jahre hier gelernt!
Lohnt sich also das Risiko für unternehmungslustige Menschen mit einer pfiffigen und gut überlegten Geschäftsidee?
Unbedingt! Ich kenne viele Deutsche, die hier in einer schicken Villa mit Pool leben, während sie sich in Deutschland diesen Lifestyle bei gleichem Einsatz wohl nie hätten leisten können.
Du hast es nie bereut, den Schritt nach Amerika unternommen und hier neu angefangen zu haben?
Nein, niemals! Nie werde ich vergessen, wie der Einbürgerungsbeamte, als ich vor nun fast 20 Jahren US-Bürgerin wurde, die berühmten Zeilen aus dem Sonett »The New Colossus« von Emma Lazarus zitierte, das auf einer Bronzetafel im Inneren der Freiheitsstatue zu lesen ist: »Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren.« Mich rührte das damals zu Tränen, obwohl ich mich im Vergleich zu Generationen von vielen anderen Einwanderern natürlich in einer wesentlich privilegierteren Lage befand.
Spürst du insofern so etwas wie Dankbarkeit?
Mir hat Florida die Chance gegeben, vor 25 Jahren als junge Journalistin meinen Traum von der Selbstständigkeit zu verwirklichen und dabei auch noch unter Palmen zu leben. Dabei ist es heutzutage für eine Printpublikation nicht gerade selbstverständlich, über einen so langen Zeitraum am Markt erfolgreich zu sein. Insofern spüre ich tatsächlich eine tiefe Dankbarkeit. Vor allem auch gegenüber den vielen Menschen, die dazu beitrugen, dass wir den Meilenstein unseres 25. Jubiläums erreicht haben: unseren engagierten Mitarbeitern, loyalen Partnern und überaus treuen Lesern. Ihnen allen gilt mein aufrichtiger Dank!