Muscle-Man an Bord: Spencer Strasmore alias »The Rock« Dwayne Johnson lebt den Miami-Lifestyle. (Foto: © HBO / Warner Bros.)
»BLOODLINE«: DRAMA NOIR UNTER PALMEN
Cumuluswolken flirren über den leeren Strand, als wollten sie vor irgendetwas flüchten. Miteinander verwachsen und doch jeder für sich. Dahinter wälzt sich der Horizont seelenruhig von sonnendurchflutetem Pastellblau über leuchtendes Blutrot zu Witwenschwarz, durchzuckt von bläulichen Blitzen.
Schon im atmosphärisch inszenierten Einspieler von »Bloodline«, Netflix‘ Streaming-Highlight in 33 Teilen, bekommt maneine nervöse Vorahnung davon, dass im Paradies unheilvolle Dinge dräuen. So wie das Anrücken eines tropischen Sturmes, seine Unaufhaltsamkeit, die stumme Wucht, die eigene Machtlosigkeit. Wohlgezielte Metaphern für die schwüle Familiengeschichteder gut situierten Rayburns, die in der dritten Staffel (läuft seit 26. Maiauf Netflix) ihren grässlichen Höhepunktfindet.
Hauptschauplatz ist Islamorada auf den Middle Keys, wo die Rayburns seit Jahrzehnten ein stattliches Gasthaus am Strand betreiben. Vordergründig ein idyllischer Ort. Doch unter dem hölzernen Dach (The Moorings Village, Islamorada, ab 465 Dollar/Nacht) schmettern am Endeauch die letzten, endlich begraben gehofften Familiengeheimnisse mit vernichtender Kraft auf. Und im Vergleich zu den ersten beiden Staffeln, in denen hin und wieder noch fröhliche Strandnachmittage und lauschige Dinnerabende stattfanden (Danny, ältester Sohn und schwarzes Schaf der Familie, und die Matriarchin Sally speisen da etwa im Atlantic's Edge Restaurant der Cheeca Lodge in Islamorada), ist das visuelle Konzept in den finalen zehn Folgen deutlich dunkler.
Die Macher bedienen sich bevorzugtbedrückender Detailaufnahmen im Stil des Film noir: Ventilatoren durchfächernspärlich beleuchtete Räume in ihrem vergeblichen Kampf gegen die Stickigkeit. Kultszene: Meg, Tochter der Rayburns und Anwältin, beschließt nach einer Flasche Tequila in einer bekannten Bar in Islamorada, das verlogene Spiel ihrer Verwandten nicht länger mitzumachen. Ein gelungenes Projekt für komatöses Binge-Watching im Liegestuhl!
BAYWATCH«: COMEDY-REMAKE DER KULTSERIE
»Wir sind das Herz und die Seele dieses Strandes«, verkündet Mitch Buchannon (Dwayne Johnson) gleich im zweiten Satz,während die Sonne den Ocean Inlet Park von Boca Raton in warmes Orange taucht.Was für bedeutungsschwangere Worte für einen Bademeister im roten Höschen! Man bekommt sofort ein Gefühl dafür,dass das neue »Baywatch« anders ist. Handfeste Selbstironie statt aufgesetzt cooler Sexiness. Aber: Wer möchte nicht lieber voneinem grinsenden »The Rock« aus dem funkelnden Atlantik gezogen werden als von einem biederen Bademeister im Provinzfreizeitbad?
Und wenn es »nur« am Leinwandstrand Emerald Bay ist. Und daher braucht u nser Film-Mitch natürlich auch ähnlich gut gebauten Lifeguard-Nachwuchs. Während die hoffnungsvollenNeulinge sich auf dem Ertüchtigungsparcoursbeweisen müssen, können wirförmlich den Duft von Oberschönlingschweißund Hawaiian-Tropic-Sonnenölauf seidener Miss-Fitness-Haut riechen. Der heißeste Kandidat Matt Brody (Zac Efron) meint, er schaffe es allein mit seinen blondierten Strähnchen, Brutzelteint und Schwimm-Olympiamedaillen auf Mitchs heiligen Wasserwachturm (zum Dreh am Deerfield Beach aufgebaut). Neben Testosteron-Brody nimmt Mitch auch nochden rundlichen Computer-NerdRonnie(Jon Bass) und die unnahbare »Sporty Spice« Summer Quinn (Alexandra Daddario)in sein Goldfisch-Team auf. Zusammen laufen sie neben den Stammnixen C. J. Parker (Kelly Rohrbach) und Stephanie Holden (Ilfenesh Hadera) in Zeitlupe den Strand entlang, retten Menschenvor dem Ertrinken und decken den dreisten Drogenhandel und die windigen Immobilienmachenschaften der bösen Club-Eigentümerin Victoria Leeds (Bollywood-Beauty Priyanka Chopra) auf.
Natürlich gibt es auch die obligatorischen roten Badeanzüge, deren Seepferdchen-Applikationen (so 90s!) durch neckischegoldene Zipps ersetzt worden sind, die immer ein bisschen weiter heruntergezogensind als nötig. Schade, dass All-Time-Baywatch-Babe Pamela Anderson bei ihrem knappen Gastauftritt keinen trägt! Nun ja, David Hasselhoff durfte bei seiner Cameo-Performance auch nicht »I've beenlooking for freedom« anstimmen... »Baywatch« versucht überhaupt nichterst, ernst genommenzu werden. Warum auch? Erwartet hier tatsächlich jemand oscarverdächtiges Material? Lebensretter light: Der heilige Ernst ihrer Serienvorbilder ist diesen Lifeguards gänzlich fremd.
»BALLERS«: MIAMI-GLAMOUR IN SERIE
Kleiner Ratschlag umsonst: »Kauft niemals etwas, das an Wert verliert. Wenn es fährt, fliegt, schwimmt oder f… – lasst es!« Mein Gott, hoffentlich dreht es sich hier nicht nur um eins, mag man sich beidiesem steilen verbalen Karriereeinstieg von Spencer Strasmore (Dwayne Johnson) ins mondäne Sport-Finanzmanagement fragen. Aberschließlich sind die Kerle, um die es in »Ballers« geht, allesamt American-Football-Spieler in Miami. Da ist die Konversation wenig zimperlich und landet schon mal unter der Gürtellinie. Ganz nebenbei geht es aber auch um jede Menge Geld, Mädchen, teure Designersonnenbrillen und Bentleys, Ferraris oder Porsches. Und wenn millionenschwere Vertragsverhandlungen anstehen, darf man auch im seriöseren Land Rover vorfahren...
Welcome to the Ballers-Club. Die Truppe um »Big Bro« Spencer Strasmore lebt den
heißen Miami-Lifestyle zwischen mondänen Villen, stinkteuren Yachten, Privatjets
und hippen Nightclubs. »Gott, Familie, Football« – das sind die drei wichtigsten Dinge im Leben für einen der besten Wide Receiver der Liga, Ricky Jerret (John David Washington). Grund genug für Spencer, ihn zu managen und ihm zu helfen, sein etwas zu ausschweifendes Privatleben endlich in den Griff zu kriegen. Spencer selbst ist durch die Höhen und Tiefen eines Footballstar-Daseins bei den Miami Dolphins gegangen. Nach einem tragischen Unfall als Defensive-End-Spieler muss er zurücktreten und sich umorientieren. Er tauscht Gitterhelm und Schulterpolster gegen Maßanzug und schlägt sich ab sofort nicht mehr mit bösen Tackles, sondern mit den Finanzfragen seiner umtriebigen NFL-Buddys herum. Immernoch besser, als sich wie Ex-Star Charles Greane (Omar Benson Miller) als Autoverkäuferbeim größten Chevy-Händler Miamis verdingen zu müssen. Essen im feinen Steakrestaurant Prime 112 hier. Feiern im edlen Club The Forgeda. Und zum Lunch im The Dutch im Luxushotel W South Beach werden neben Burgern mal eben saftige Millionen-Dollar-Deals serviert. Stressig wird es erst, als der fiese Bankier Andre Allen (Andy Garcia) Spencer Steine in den Weg legen will...
Alles in allem eine durchaus sexy Story, in der man Feinsinn vergebens sucht. Dafür wird man belohnt mit vielen tollen Miami-Locations, die sich lesen wie Empfehlungen des Hochglanzreisemagazins »Connoisseur Circle«. Diese Auswahl mag auch der persönlichen Leidenschaft der Produzenten geschuldet sein: Dwayne Johnson und Mark Wahlberg! Staffel eins der HBO-Produktion »Ballers« ist seit Ende Juni auf Sky Atlantic HD zu sehen, alle Folgen sind auch als Stream auf Amazon Prime oder Sky on Demand abrufbar. Staffel 2 folgt im Herbst.