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Posen für den Fotografen: Tatjana Maria auf dem heimischen Tennisplatz (Foto: © John Seberg)
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Krönung einer großen Liebe: Töchterchen Charlotte (Foto: © John Seberg)
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Tropische Oase: Blick auf das Haus (Foto: © John Seberg)
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Abkühlen nach dem Training: der heimische Swimmingpool (Foto: © John Seberg)
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Erfolgsduo auf dem Court (Foto: © John Seberg)
Liegt es an der Wärme Floridas, an der Sonne? Oder sind es die Menschen, die hier wohnen und diesen Ort zu etwas Besonderem, nämlich zu einem besonders schönen Zuhause machen? Es ist geradezu fühlbar. Als wir an diesem Frühlingsnachmittag das Anwesen der Familie Maria in Palm Beach Gardens besuchen, spüren wir ganz schnell die positive Energie, die dieses Haus ausstrahlt. Genau wie seine Bewohner, die deutsche Top-Tennisspielerin Tatjana Maria, geborene Malek, ihr Mann Charles-Edouard und das gemeinsame Töchterchen Charlotte. Die junge Familie scheint von innen zu strahlen. So muss wohl Glück aussehen.
COURT IM GARTEN
Das Anwesen hat Charles im Jahre 2006 erworben. Damals war der in Straßburg geborene ehemalige Tennisprofi als Trainer nach Florida gekommen, half unter anderem Venus Williams, ihr Spiel zu verbessern. Vom französischen Tennisverband wurden ihm immer wieder junge Talente geschickt, denen Maria den spielerischen und taktischen Feinschliff verpasste. Den Tennisplatz im Garten hat er damals bauen lassen, »mit dem gleichen Belag wie auf den Courts in Key Biscayne bei den Miami Open«, wie der Hausherr nicht ohne Stolz sagt.
Wir schlendern über das weiträumige Grundstück. Charles erklärt, welche Teile des Hauses im Nachhinein angebaut wurden, wie er das verschachtelte Innere öffnen ließ, um das Licht durchfluten zu lassen. Mit zwei separaten Gästehäusern bietet das Anwesen heute reichlich Platz für Freunde, Familie und immer wieder auch Tennisspieler, die der Coach eine Zeit lang unter seine Fittiche nimmt. Die hohen Räume, eine offene, helle Küche, sparsame Möblierung, der Blick auf den Garten und den Pool – sehr europäisch das Ambiente, und doch wunderbar zu Florida passend.
FRÜHE ERFOLGE
Unsere Geschichte fängt allerdings erst im Jahre 2012 an. Damals bereitete sich die deutsche Profispielerin Tatjana Malek auf die US Open vor. Hochtalentiert, unglaublich ehrgeizig. Im zarten Alter von vier Jahren hatte das im baden württembergischen Bad Saulgau geborene Ausnahmetalent mit dem Tennisspielen begonnen. Eine Sportlerfamilie: Vater Heinrich polnischer Handballnationalspieler, Mutter Margit als Österreicherin ein Ass auf Skiern. Auch die beiden Brüder Daniel und Matthias sind als Fußballer sportlich aktiv. Schnell feiert die junge Tatjana Erfolge im Tennis, ist in den Altersklassen U14 und U18 bald deutsche Meisterin. »Es war ziemlich früh klar, dass ich Profitennis spielen würde«, sagt sie und blinzelt in der warmen Nachmittagssonne. Schöne Erinnerungen an die Zeit damals. Schon bald etabliert sie sich auf der ITF-Tour, gibt 2006 ihr Debüt im Fed-Cup-Team unter Nationaltrainerin Barbara Rittner, avanciert zu Deutschlands Tennis-Hoffnung.
Endlich eine neue Steffi? 2007 erreicht sie erstmals die Top 80 der Weltrangliste. Viele Experten rechnen mit dem endgültigen Durchbruch der Neunzehnjährigen. Doch dann kommt 2008, Annus horribilis, ein Schreckensjahr. Mit plötzlichen Atembeschwerden muss Tatjana während des Turniers im kalifornischen Indian Wells ins Krankenhaus. Akute Lungenembolie, Lebensgefahr. »An der Hektik der Ärzte habe ich erst den Ernst der Lage erkannt«, erinnert sie sich noch immer mit Schrecken. In letzter Sekunde kann ihr Leben gerettet werden.
Sie kämpft sich zurück, feiert ihr Comeback – doch dann der nächste Schicksalsschlag: Ihr Vater stirbt an Krebs. Ihr ständiger Begleiter, Coach, Mentor, Freund. Ein brutaler Einschnitt, vor allem für eine sensible, junge Sportlerseele. Dennoch oder gerade deshalb spielt Tatjana 2009 die beste Saison ihres Lebens. In der Weltrangliste klettert sie auf Position 64: »Irgendwie lief das damals alles ab wie in einem Film.« Tennis als Therapie, als Mittel der Verdrängung. Doch irgendwann funktioniert das nicht mehr, der Akku ist leer. In der Weltrangliste stürzt die einstige Hoffnungsträgerin immer tiefer, rutscht aus den Top 200, ist kurz davor, ihre Karriere zu beenden. Wozu das alles noch?
YIN UND YANG
Ihr damaliger Trainer schickt sie nach Florida, wo sie beim bekannten Tenniscoach Charles-Edouard Maria neue Impulse und Motivation finden soll. Offiziell zur Vorbereitung auf die US Open 2012. Da muss wohl jemand im Himmel interveniert haben. Denn die nach Orientierung suchende Athletin aus Deutschland und der erfahrene Coach aus Frankreich finden schnell heraus, dass sie Seelenverwandte sind. Yin und Yang, und das nicht nur auf dem Tennisplatz. Die beiden verlieben sich ineinander, heiraten im April 2013. Sie zieht zu ihm nach Palm Beach Gardens, ist jetzt Neu-Floridianerin. Zur Hochzeit schenkt er ihr einen offenen Porsche Speedster aus den 1950er Jahren. Als Beweis seiner Liebe. Und zugleich als Erinnerung an die deutsche Heimat. Neun Monate später kommt Tochter Charlotte auf die Welt. Serena und Venus Williams, die gleich nebenan wohnen, richten die traditionelle »baby shower« aus. Ganz großes Kino.
WIEDER SPITZE
Im schönen Garten des Anwesens läuft vor uns die Geschichte der großen Liebe noch einmal wie ein Film ab. Die zärtlichen Blicke der beiden, die liebevollen Worte an die gemeinsame Tochter Charlotte, die Begeisterung, mit der das Ehepaar seine ganz persönliche Lovestory und das Happy End in diesem Haus beschreibt, hat etwas Anrührendes. Mindestens ebenso eindrucksvoll ist aber auch, wie Tatjana Maria nach der Babypause darauf drängt, wieder auf der Tennistour anzugreifen. Die Williams-Schwestern helfen mit Tipps, sprechen ihr Mut zu. Eine wahrlich hochkarätige Unterstützung! Im April 2014 startet Tatjana ihr Comeback. Spielt wie entfesselt, gewinnt mehrere ITF-Turniere, schafft schon bald wieder den Sprung in die Top 200 der WTA-Weltrangliste. Beim Turnier von Wimbledon gelingt ihr 2015 zum ersten Mal der Einzug in die dritte Runde eines Grand-Slam-Turniers. Ein toller Erfolg für eine, die die Tenniswelt schon zweimal fast abgeschrieben hatte. Es allen noch mal zeigen zu wollen – was für ein starker Antrieb! Auch wenn es wehtut und man bis an sein Äußerstes gehen muss. Auf der Tribüne fiebert Ehemann Charles bei jedem Turnier mit, während die süße Charlotte zuso etwas wie dem kleinen Glücksmaskottchen derSpielerin wird. Dabei ist Tatjana Maria nicht die erste Mutter, die erfolgreich Tennis spielt. Die Belgierin Kim Clijsters gewann nach ihrer Babypause die US Open, später stand sie sogar wieder an der Spitze der Weltrangliste. Auch Lindsay Davenport spielte nach der Geburt ihres Sohnes mit besonderem Ehrgeiz.
LEBEN AUF TOUR
Das Leben auf der Tennistour ist für Tatjana Maria dadurch aber keineswegs anstrengender – im Gegenteil: Der Stress durch die vielen Reisen, das tägliche Training, die Strapazen, die Fokussierung auf die Matches ist für sie so sogar besser zu bewältigen. »Mit dem Kind auf der Tour ist es einfach schöner, wir genießen es richtig«, sagt Tatjana. Und so stürzt sich das Trio seither ins Abenteuer Tourleben. Charlotte bewegt sich inzwischen problemlos über die Turnierplätze dieser Welt, bei der Betreuung helfen schon mal wechselweise die Omas oder Cousinen. Charles ist Ehemann, Vater, Trainer in einem und hält seiner Frau den Rücken frei. Diese kann sich derweil auf das Tennis konzentrieren – und zahlt die Unterstützung mit immer besseren Leistungen zurück. Gewinnt im vergangenen Jahr mit ihrer Doppelpartnerin Lara Arruabarrena Vecino das WTA-Turnier in Bogota, holt sich im Februar 2017 zum wiederholten Mal den Titel des ITF-Turniers in Midland in Michigan. Und gehört inzwischen wieder zu den 100 besten Tennisspielerinnen der Welt.
Eine symbiotische Verbindung, die das Paar da eingegangen ist. Jungverheiratet, die Verantwortung für das gemeinsame Kind. Und dann ist da noch diese enge, zum Teil schwierige Beziehung zwischen dem Trainer und seinem Schützling. Eine Partnerschaft, die nur in gegenseitigem Vertrauen funktioniert. Charles hat die Rückhand seiner Frau, die sie früher doppelhändig schlug, auf die einhändige Variante umgeschult. »Weil das ganz einfach mehr ihrem Bewegungsablauf entspricht.« Er ist Coach, Motivationstrainer und Psychologe in einem. Und findet stets die richtigen Worte. Dann, wenn Sie wieder mal zu stürmisch ist und ein Match mit der Brechstange gewinnen will. »Sie ist manchmal fast ein bisschen zu ehrgeizig«, sagt Charles. Oder sie lasse sich, wie im vergangenen Jahr bei den French Open, durch Schauspieleinlagen und Mätzchen ihrer Gegnerin aus dem Konzept bringen. Aber je reifer sie werde, desto besser und stabiler sei auch das Nervenkostüm. Dass sie einen der besten Aufschläge auf der Damen-Tour hat, von der Vorhand mal ganz zu schweigen – mon dieu, das wissen doch alle!
GROSSE PLÄNE
Und so hat das Familienunternehmen im Tenniszirkus noch viel vor in den nächsten Jahren. In Zeiten, in denen Spieler wie Roger Federer oder Venus Williams mit fortschreitendem Alter immer besser zu werden scheinen, kann auch Tatjana noch einiges bewegen. Am 8. August wird sie 30, aber die Zahl schreckt sie überhaupt nicht. »Das Beste in Tatjanas Sportkarriere kommt erst noch«, ist Ehemann Charles fest überzeugt – und wirft seiner Frau wieder einen liebevollen Blick zu. Aber Kinder – ja, auch die wolle man noch haben, möglichst viele. Ein Wunsch, der nicht verwundert: Wenn man die süße Charlotte da in ihrem Spielzimmerchen am Puppenherd hantieren sieht, in drei Sprachen fließend plappernd und entzückend erzählend, kann man die stolzen Eltern gut verstehen. So wird man in den nächsten Jahren wohl weiter gemeinsam um die Welt jetten, von Turnier zu Turnier. Im Sommer in Europa, wo man dann auch wieder mit der Familie in Bad Saulgau zusammenkommt oder zwischen den Wettkämpfen im gemeinsamen Apartment in Cannes entspannt, nur zwei Straßen entfernt von der berühmten Promenade de la Croisette. Wer weiß, vielleicht werde man auch ein Domizil in Cartagena in Kolumbien einrichten, der Heimat von Charles' Mutter. »Eine wirklich tolle und aufregende Stadt.« Aber Drehund Angelpunkt der jungen Familie wird auch in Zukunft Palm Beach Gardens bleiben. Das Haus und der Garten in Florida, in dem man zueinandergefunden hat, und wo zwei Menschen nach ganz unterschiedlichen Reisen ihren Ankunftsort genießen. An dem jetzt Familiengeschichte geschrieben wird. Glücklich und voll zärtlicher Gefühle.
LISTE DER BESTEN
• Die Women's Tennis Association (WTA) mit Sitz im floridianischen St. Petersburg ist die Vereinigung der professionellen Tennisspielerinnen.
• Die WTA führt die Punkteranglisten für die Tennisweltrangliste der Damen. Um dort geführt zu werden, muss eine Spielerin das 14. Lebensjahrvollendet und Punkte bei mindestens drei Turnieren gesammelt haben.
• Die Weltrangliste wird jeden Montag (ausgenommen während der Grand-Slam-Turniere) aktualisiert.
• Die bei einem Turnier erzielten Punkte hängen davon ab, welche Runde eine Spielerin erreicht hat.
• Die allererste Weltranglistenerste war am 3. November 1975 Chris Evert.
• Mit 377 Wochen ist Steffi Graf diejenige Spielerin, die am längsten die Tennisweltrangliste anführte.
• Die jüngste Weltranglistenerste war Martina Hingis mit 17 Jahren.
• Insgesamt standen bislang 22 verschiedene Spielerinnen an der Spitze des Rankings, der letzte Neuzugang war im September 2016 die Deutsche Angelique Kerber.