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Die weiten Marschlandschaften im Norden laden zum Paddeln ein. (Foto: © Hayworth Public Relations)
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Fischer beim Flicken eines Netzes. (Foto: © Hayworth Public Relations)
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Zahlreiche Feste erinnern an die Geschichte der Insel als Piratennest. (Foto: © Hayworth Public Relations)
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Der Sliders Sea Grill bietet frische Meeresfrüchte mit Blick auf den Atlantik. (Foto: © Hayworth Public Relations)
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Auf der Schaukel lässt's sich wunderbar träumen. (Foto: © Hayworth Public Relations)
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Den »Seafood Platter« mit Fried Shrimp Oysters, Redfish Filet und Crab Cakes? Die »Maine Lobster Roll« auf einem weißen Hoagie-Sandwich? Oder doch lieber die »Low Country Boil«, typische Hausmannskost aus New Orleans mit Andouille Sausage, Steamed Shrimp und Corn-on-the-Cob? Wir sind hier schließlich in »Old Dixie«.
Egal – nach einer morgendlichen Paddeltour durch die herrliche Marschlandschaft von Amelia Island sind wir, was die Kalorienzufuhr angeht, nicht besonders wählerisch. Es müssen nur möglichst viele sein! Und so entscheiden wir uns nach einigem Hin und Her im Sliders Seaside Grill dafür, einfach mal alles zu bestellen. Was sich am Ende nicht unbedingt als Fehler herausstellt (schließlich ist alles köstlich zubereitet), aber unsere Aufnahmefähigkeit doch erheblich übersteigt. Denn die Portionen sind großzügig bemessen, um es vorsichtig auszudrücken. Wir lehnen uns erschöpft zurück, blicken auf den Atlantik, futtern mit großem Appetit Meeresfrüchte und Südstaaten-Eintopf, plaudern mit der freundlichen Bedienung über all das, worüber man mit freundlichen Bedienungen so plaudert – und sind einfach nur glücklich. Ein perfekter Ort, um nach einem sportlichen Kraftakt alle fünfe gerade sein zu lassen. Das Restaurant rühmt sich, die einzige Tiki-Bar am Strand von Amelia Island zu besitzen. Und jeden Abend Livemusik zu spielen. Tatsächlich geht es hier ausgesprochen lässig zu. Man sitzt an einfachen Holztischen, die Wände sind geschmückt im üblichen Dekor rustikaler Fischrestaurants: Strandgut, Netze, Treibholz, alte Bojen. Manche der Gäste scheinen aus irgendwelchen benachbarten Büros mal kurz zum Lunch geschlüpft zu sein, tragen Hemd mit Schlips oder Kostümchen. Andere schlurfen in Sandalen und Tanktops durchs Lokal. Jeder nach seiner Façon. Jimmy Buffetts »Changes in Latitudes, Changes in Attitudes« scheppert für alle gleichermaßen einlullend aus den Lautsprechern. Ziemlich abgenudelt über die Jahre, aber wenn man hier sitzt, die Brise sanft vom Meer herüberweht, die Gäste schon am Mittag Margaritas und Caipirinhas schlürfen und jeder in Partylaune ist, erscheint die musikalische These von der »Stimmungsaufhellung durch Breitengradwechsel« mehr als plausibel. Die »Lobster Roll« haben wir uns übrigens als »Doggie Bag« einpacken lassen, für den kleinen Hunger später ...
Kurz vor Sonnenaufgang waren wir zu einer geführten Paddeltour im Süden der Insel aufgebrochen. Der kleine Simpson Creek, ein von den Gezeiten durchspülter mäandernder Kanal zwischen Big Talbot und dem Little Talbot Island State Park, eignet sich mit seinem niedrigen Wasser auch für Anfänger sehr gut. Die ganze Wegstrecke in unseren zweisitzigen Kajaks war vor Wellen geschützt, und von der Bucht her eröffnete sich eine malerische Aussicht über die Marschlandschaft und auf die Mayport Naval Station in der Ferne, wo sich die Silhouette einiger mächtiger Fregatten und Zerstörer im Dunst abzeichnete. Zwischendurch hatten wir einen längeren Halt auf einer Sandbank am San George River eingelegt, über uns kreisten Habichte und Seeadler, die Mangroven schienen im Gezeitenwechsel zu pulsieren, grüne Kissen mit verschrobenen Wurzeln und ineinander verdrehten Ästen. Unser Tour-Guide erzählte von den Timucua-Indianern, welche hier Tausende von Jahren beheimatet waren. Der Franzose Jean Ribault war übrigens der erste Europäer, welcher der Insel und seinen Eingeborenen einen Besuch abstattete. Den heutigen Namen erhielt Amelia Island erst später – benannt nach der Prinzessin Amelia, Tochter des aus Hannover stammenden britischen Königs Georg II.
Später am Nachmittag fahren wir entlang der Bundesstraße A1A Richtung Norden. Hohe, weiße Dünen und weites Marschland ziehen sich entlang der Küsten. Hier liegen Edel-Hotels wie das Ritz Carlton Amelia Island und das Omni Amelia Island Plantation Resort – allesamt luxuriöse Anlagen mit mehreren Golfplätzen unter herrlich alten Eichenbäumen, die den Ruf der Insel als exklusive Enklave seit vielen Jahren mitgeprägt haben. Wer will, lässt sich hier ein Pferd satteln, um über die lang gezogenen Dünen zu traben, die am Abend rötlich-golden im Sonnenlicht leuchten.
Wir erreichen Fernandina Beach, ein lebhaftes viktorianisches Hafenstädtchen. In dem Ort sind rund 50 Häuserblocks als architektonische Juwelen unter Denkmalschutz gestellt. In vielen dieser Häuser wurden schöne Bed & Breakfasts, Pensionen, bezaubernde Geschäfte und ausgezeichnete Fischrestaurants eröffnet. Der so historische wie verrauchte Palace Saloon an der Centre Street dient als solcher weiterhin seinem ursprünglichen Zweck. Wir schlendern ans Ende der Flaniermeile, vorbei an entzückenden Eiscreme-Läden, Restaurants, Galerien und Boutiquen. Vom Hafen aus hat man einen schönen Blick über den Amalia River, allerdings auch auf die Fabrikanlage des Rayonier-Werks, wo jeden Tag massenweise aus Georgia herangekarrte Kiefernstämme zu einem Cellulosebrei zerfasert und dann zu Papier, Karton und Pappe weiterverarbeitet werden. Das Ungetüm steht in krassem Gegensatz zum pittoresken Ambiente von Fernandina Beach. Und das Fremdenverkehrsamt träumt sicher seit langem davon, das dampfende Monstrum irgendwann mal hochkant aus der ansonsten so malerischen Bucht zu befördern. Aber rund 1.200 Arbeitsplätze sind wohl ein gutes Argument dafür, die Fabrik im Ort zu belassen. Nun ja ...
Im ehemaligen Gefängnis gleich nebenan in der South Third Street lernen wir viel über die Geschichte der Insel – und durchaus auch ihrer Widersprüche. Fernandina Beach rühmt sich, Geburtsort der kommerziellen Shrimps-Fischerei zu sein, und doch sind »dank« der Konkurrenz aus Südostasien heute nur noch eine Handvoll Kutter übrig geblieben. Immerhin werden hier pro Jahr aber noch etwa zwei Millionen Pfund Garnelen aus dem Atlantik gezogen. Unbestritten ist indes, dass über dem Ort im Laufe der Geschichte insgesamt acht verschiedene Fahnen wehten. Seit dem Jahr 1562 stand es unter der Flagge von Frankreich, Spanien, Großbritannien, wieder Spanien, Patriots of Amelia Island, Green Cross of Florida, Mexiko, Konföderierte Staaten von Amerika und den Vereinigten Staaten – ziemlich verwirrend nicht nur für die Bewohner!
Im Jahre 1808 galt der Ort als »Hauptstadt« des illegalen Sklaven-Imports. Als Ironie der Geschichte mutet es an, dass ausgerechnet hier 1935 mit »American Beach« das erste private Strandbad für Schwarze an Floridas Küsten eröffnete. Nach der offiziellen Abschaffung der Rassentrennung 1954 fiel auch American Beach in einen Dornröschenschlaf, wie schon der Rest der Insel. Denn die neue Eisenbahn, die hier keinen Zwischenstopp mehr einlegte, transportierte Besucher nun direkt zu den Urlaubsgebieten im Süden Floridas. Der Fortschritt ratterte an der Insel vorbei. Die Zeit blieb stehen in Fernandina Beach mit seinen pastellfarbenen Holzhäusern, den breiten Veranden, Türmchen, Erkern und Art déco-Fassaden. Gut so!
Täglicher Höhepunkt, zumindest für diejenigen, die gerne essen, sind die Menükarten in den Restaurants. Von überall her brachten die Menschen ihre Rezepte nach Amelia Island mit. Neben kreolischen und hispanischen Einflüssen sind es vor allem frische regionale Produkte sowie exotische Gewürze und Zutaten, die hier heute die gehobene »Floribbean Cuisine« auszeichnen.
Wir fallen nach einem ausgezeichneten, aber leichten Dinner – schließlich sind wir vom Lunch noch pappvoll – im hübschen España-Restaurant mit Tapas und leckerem Rotwein in unser Bett im Seaside Amelia Inn an der Atlantic Avenue. Nicht unbedingt ein Kleinod einfallsreicher Hotel-Architektur, aber mit dem unschlagbaren Vorteil, direkt am Strand zu liegen. Und so werden wir am nächsten Morgen von der aufgehenden Sonne und einem atemberaubend schönen Farbspiel am Himmel wach geküsst. Zum »Hot & Tasty Southern Style Breakfast« gibt's anschließend Pancakes, Eier, Würstchen und Grits. Rührend, wie die Managerin Olivia Hoblit von Tisch zu Tisch geht und ihre Gäste persönlich begrüßt, nach ihren Erlebnissen des vergangenen und Plänen für den kommenden Tag fragt. So viel Herzenswärme verwandelt dann selbst eine eher unspektakuläre Herberge in einen Ort mit Erinnerungswert.
Am Strand durchkämmen wir den Sand auf der Suche nach Muscheln und Seesternen und entdecken plötzlich einen prähistorischen Haifischzahn. Passt irgendwie gut zum kleinen Hafen von Fernandina Beach, wo ein Plastik-Haifisch kopfüber von einem Laternenmast über dem Landungssteg baumelt. Von hier aus legen wir am Nachmittag ab zu einer zweistündigen Fahrt auf dem kleinen Touristen-Kutter Bald Eagle. Kapitän Kevin McCarthy erzählt uns von der Geschichte der Insel. Davon, dass der Sommer hier als Hauptsaison gilt, aber der Winter vielleicht die schönste Reisezeit ist. Dann nämlich gehört der Strand den Möwen, der Himmel ist eisblau und der Sand schneeweiß. Wir tuckern vorbei an Fort Clinch, einer Bürgerkriegs-Festung, wo Parkranger als Soldaten der Nordstaaten-Union kostümiert sind. An der Schwelle zu Georgia hat man vom Fort aus einen weitreichenden Blick über den Cumberland Sound auf Cumberland Island. Diese Meeresstraße nutzten Piraten vergangener Zeiten und die Garnelenfischer von heute als Passage in den Hafen von Fernandina Beach. Wir erreichen die Küste von Cumberland Island. Der Wind pustet feine Wellenmuster in die Dünen, erhobenen Hauptes stolzieren Wasservögel durch die auslaufende Brandung. Auf der Insel finden sich völlig verschiedene Ökosysteme: Salzwasser-Marschland, Watt, Priele, maritime Wälder, weiße Sandstrände und Dünen. Die Insel ist ein Naturschutzgebiet, hier leben mehr als 200 freilaufende Pferde, verwilderte Nachfahren der Hengste und Stuten, die die Spanier einst mitbrachten.
Auf unserem Rückweg nach Fernandina Beach tuckern wir vorbei an einem viktorianischen Prachtbau, in dem 1988 die Dreharbeiten zum Kinofilm »The New Adventures of Pippi Longstocking« stattfanden. Den Hinweis unseres Kapitäns, das hier sei DIE Villa Kunterbunt, quittieren die europäischen Gäste an Bord allerdings mit einem milden Lächeln, stand die Villa Kunterbunt unserer frühen Kinderfernsehtage natürlich im schwedischen Gotland. Und »unsere« Pippi hieß Inger Nilsson und nicht Tami Erin ...
Als wir endlich am Pier in Fernandina Beach anlanden, kommt aber tatsächlich etwas von dieser Heile-Welt-Stimmung à la Astrid Lindgren auf. Kleine Boote schippern durch das Hafenbecken, Krabbenkutter fahren zu ihren Fanggründen, eine Pferdekutsche holpert über das rauhe Kopfsteinpflaster. Hinter schmiedeeisernen Toren sitzen Einheimische und Gäste auf geräumigen Veranden in bequemen Korbsesseln und Schaukelstühlen, umrahmt von herrlichen Gärten. Und erleben, genau wie wir gerade, Glücksmomente auf dieser an Geschichte und Geschichten so reichen Insel.
Reise-Highlights
Seaside Amelia Inn
2900 Atlantic Avenue, Amelia Island
Telefon (904) 206-5300
Amelia Island River Cruises
1 North Front Street, Fernandina Beach
Telefon (904) 261-9972
Amelia Island Museum of History
233 South Third Street, Fernandina Beach
Telefon (904) 261-7378
Sliders Seaside Grill
1998 South Fletcher Avenue, Amelia Island
Telefon (904) 277-6652
Fort Clinch State Park
2601 Atlantic Avenue, Fernandina Beach
Telefon (904) 277-7274
www.floridastateparks.org/park/Fort-Clinch
Kayak Amelia
Ray & Jody Hetchka
13030 Heckscher Drive, Jacksonville,
Telefon (904) 251-0016