Lächeln für die Unterwasserkamera (Foto: © Florida Manatee Tours)
So viel ist klar: Mit ihrer Rubensfigur gehen Manatis bestenfalls als Arielles korpulente Cousinen durch. Aber nach Monaten auf See dürfte mit den spanischen Seefahrern, die knuddelige Seekühe einst für Meerjungfrauen hielten, wohl schlicht die Fantasie durchgegangen sein. Wie auch immer, zwischen den Keys im Süden und dem nordwestlichen Pfannenstiel pflügen die Dickerchen im Winter vielerorts auch heute durch die küstennahen Gewässer. Aber nur in Crystal River, etwa eine Autostunde nördlich von Tampa, ist es in Florida erlaubt, mit den Seekühen in ihrer natürlichen Umgebung zu schwimmen.
Der Crystal River ist ein weitläufiges Flussareal, das von warmen Süßwasserquellen gespeist wird und deltaartige Wasserflächen ausbildet. Die Manatis sind in den Wintermonaten hier überall präsent, über und unter dem Wasser mit seiner konstant milden Temperatur. Entlang der Hauptstraßen findet man eine große Zahl von Veranstaltern, die Schnorcheln mit Manatis anbieten – als geführte oder individuelle Touren. Die Guides wissen am besten, wo sich die größten Gruppen von Seekühen im Winter nahe den warmen Quelle aufhalten.
Manatis leben allein oder in kleinen Gruppen von bis zu acht Tieren. Sie ernähren sich fast ausschließlich vegetarisch und »grasen« unter Wasser. Die normalen Tauchzeiten beim Fressen dauern bis zu fünf Minuten. Um länger abzutauchen, verlangsamen die Tiere die Herzfrequenz bis auf acht Schläge pro Minute – kein Wunder, dass es an Ruhe und Gelassenheit kaum jemand im Tierreich mit den grauen Riesen aufnehmen kann.
Wer sich zutraut, eines der flachen Metallboote selbstständig durch die trägen Flussarme zu steuern oder im Kanu oder Kajak flussaufwärts zu paddeln, kann in eigener Regie auf die Pirsch gehen. Doch Vorsicht: Die extra eingerichteten Manati- Schutzzonen sind absolutes Tabu für Besucher. Hier sollen sich die Tiere zurückziehen, ausruhen, schlafen können, ohne von Tauchern oder Schnorchlern belästigt zu werden. Wir haben uns für eine geführte Tour mit River Ventures entschieden, ganz früh morgens um 6 Uhr, weil um diese Zeit das Wasser noch etwas kühler ist und es die Manatis zu den warmen Quellen zieht. Bei heißem Kaffee gibt es erst einmal eine kleine Einführung zu den Seekühen und Tipps zum richtigen Umgang mit ihnen. Anschließend geht es rein in einen schicken Neoprenanzug, dann rauf auf ein Boot mit Captain John und anderen Schnorchlern.
»Die Tiere zieht es dahin, wo wärmere Temperaturen herrschen«, sagt unser wettergegerbter Expeditionsführer auf dem Weg ins Schutzgebiet. »Hier in die Bucht kommen sie gern, weil das Wasser wegen der vielen warmen Quellen konstant 22 Grad hat.« Manatis mögen es wohltemperiert. Die drolligen Seekühe mögen zwar ein bisschen pummelig aussehen, doch eine dicke, vor Kälte schützende Fettschicht besitzen sie nicht. Und so frieren die Seekühe ziemlich schnell, was sie letztlich dazu zwingt, sich in warmen Gewässern aufzuhalten.
Vor zehn Jahren seien die Manatis fast ausgestorben gewesen, sagt John. »Heute gibt's allein hier bis zu 600 Tiere.« Und dann bläut er uns noch einmal die Regeln ein: Nicht laut planschen, sondern sich mit möglichst ruhigen Bewegungen auf den neonbunten Poolnudeln treiben lassen. So werden die Tiere, die nicht besonders gut sehen können, nicht verschreckt, können Vertrauen fassen und ihrer ausgeprägten Neugier nachgehen. Sollten sie nahe herankommen, ist anfassen nur erlaubt, wenn die Seekühe selbst den Kontakt suchen.
Nach 20-minütiger Fahrt geht es dann ins frische Wasser, das hier freilich nicht so kristallklar ist, wie der Name des Flusses und Orts vermuten lässt. Die Sicht reicht nur ein paar Meter weit, doch John sieht vom Boot aus, wo die Seekühe an der Wasseroberfläche Luft schnappen, und gibt Hinweise, wo man am besten hintreiben sollte. Manatis kommen nur ab und an zum Luftholen an die Oberfläche und halten sich ansonsten meist am Grund des Gewässers auf, um zu essen oder zu schlafen. Und tatsächlich zeichnen sich nach wenigen Augenblicken im leicht trüben Blau die Silhouetten zweier Seekühe ab: Eine Mutter und ihr Junges schweben ins Blickfeld – und in aller Seelenruhe wieder hinaus. Bald folgen weitere Jungtiere und große Bullen, die mit ihren gewaltigen Ausmaßen etwas einschüchtern.
In ihrem grundentspannten Treiben wirken sie allerdings so friedlich-selig, als könnten die Vegetarier nicht einmal Plankton etwas zuleide tun. Plötzlich wird nur ein bis zwei Meter von uns entfernt ein großer grauer Rücken an der Wasseroberfläche sichtbar. Wir zwingen uns, ruhig zu bleiben. In diesem Moment taucht direkt vor uns eine wulstige Schnauze auf, als wolle sie unsere Taucherbrillen
knutschen! Der Moment ist so schnell vorbei, dass wir gar keine Zeit haben, uns zu erschrecken. Und so streicheln wir die Seekuh beim Vorbeischwimmen einfach noch einen Moment, bevor sie wieder abtaucht. Und jetzt doch etwas schlotternde, aber beseelte Schnorchler zurücklässt.
Wo Arielle zu Hause ist
Von November bis März ist »manatee peak season«, dann findet man die grauen Riesen in ganz Florida an den warmen Wasserstellen. Besonders der Homosassa Springs Wildlife State Park ist ein Manatiparadies.
Vorsicht, Schutzzone!
Während die Seekühe aufgrund ihrer Größe in Florida kaum natürliche Feinde haben, setzt ihnen der Mensch mit seinen Motorbooten stark zu. Die Tiere sind zu gemütlich und zu gemächlich, um den schnellen Booten ausweichen zu können. Deswegen wurden vor allem am Crystal River einige Schutzzonen eingerichtet, in die man weder per Boot oder Kajak noch schwimmend eindringen darf. Die Missachtung des Verbots kann empfindliche Strafen nach sich ziehen.
Verhaltensregeln
• Im Wasser ruhig verhalten. Nicht wild strampeln, einfach ruhig schnorcheln. Mit einer Schwimmnudel kann man relativ bewegungslos im Wasser dümpeln.
• An der Oberfläche bleiben und den Manatis nicht hinterhertauchen. Wenn die Tiere am Boden sind, schlafen oder essen sie. In beiden Fällen gilt: Nicht stören!
• Kommt eine Seekuh auf den Schnorchler zu, nicht panisch werden. Die Tiere haben schlechte Augen und suchen nach Essbarem
Auf zu Floridas Dickhäutern!
Die Manati-Touren von River Ventures reichen von geführten dreistündigen Trips für 49 Dollar bis hin zu privaten Familienausflügen für sechs Personen über fünf Stunden (Bootfahren, Tauchen, Schnorcheln, Paddeln) für 490 Dollar.
Telefon (352) 564-8687
Eine geführte Schnorcheltour kostet mit Florida Manatee Tours in Crystal River pro
Person 65 Dollar inklusive
Ausrüstung und Lunch.
Telefon (352) 795-7033
Der Save the Manatee Club, eine unter anderem von dem Sänger Jimmy Buffett gegründete gemeinnützige Organisation, offeriert geführte Kajaktouren auf dem Crystal River.
Preis inklusive Kajak: 40 Dollar.
Telefon (407) 539-0990