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So schön kann die Mauer sein! (Foto: © Dirk Rheker)
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Ofer Mizrahi ist der Schöpfer des Kreativ-Viertels. (Foto: © Dirk Rheker)
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Im Innenhof von Miami Ironside (Foto: © Dirk Rheker)
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Cracking-Art-Hase vor der Galleria Ca’ d’Oro (Foto: © Dirk Rheker)
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Gavin Rains Gemälde »Scarlet« in der SmithDavidson Gallery (Foto: © Dirk Rheker)
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Schicke Strähnchen gibt’s bei Journey – Hair for Life. (Foto: © Dirk Rheker)
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Auch der Schweizer Sanitärkeramikkonzern Laufen ist hier vertreten. (Foto: © Dirk Rheker)
Und plötzlich ragen sie da auf, im sommerlich-tropischen Licht. Symbole einer hässlichen Vergangenheit, aber doch auch der Befreiung, des Einreißens von Grenzen. Zwei von Thierry Noir bemalte Segmente der Berliner Mauer zieren die Business Plaza von Miami Ironside, ein Areal ehemaliger Lager- und Werkshallen im alten Industriegebiet von Miamis Upper Eastside. Lange verlassen, abgewirtschaftet, verkommen. Bis der Projektentwickler Ofer Mizrahi im Jahre 2003 den Komplex übernahm und ihn zu einem Kunst- und Designzentrum umgestaltete. Heute finden sich hier Galerien und Ateliers ebenso wie die Showrooms hochpreisiger Innenausstatter, ein Box- und Fitnessstudio und ein Restaurant mit Café. »Miami schien für mich der perfekte Ort, ein solches Experiment zu wagen«, erklärt Mizrahi. Und der Stolz, hier das Unmögliche möglich gemacht zu haben, ist dem gebürtigen Israeli dabei durchaus anzumerken.
Wir schlendern um die beiden Mauerteile im Innenhof. Im Rahmen der Art Basel Miami Beach 2013 wurden vier Segmente des einstigen Schandmals in Miami aufgestellt. Thierry Noir, der mit seinen Arbeiten an der Berliner Mauer weltberühmt wurde, hat sie vor Ort neu bemalt. »Wir konnten sie schließlich dauerhaft hierher holen«, sagt Mizrahi. Seither bildet das einst unheilvolle Symbol der deutschen Geschichte einen spannenden Kontrapunkt zu diesem multikulturellen, vor kreativer Energie nur so strotzenden Ort. Schon füh war Mizrahi an der Wiederbelebung des benachbarten Miami Design Districts beteiligt.
Ein Visionär der ersten Stunde. Kein Zufall, dass sich im Ironside District heute vor allem auch viele europäische Galerien und Showräume angesiedelt haben. »Natürlich hatten wir bei der Planung das Konzept europäischer Innenstädte vor Augen«, sagt Mizrahi. Fußgängerfreundlich, offen, kommunikativ. Ein modernes städtebauliches Ambiente, bei dem grüne Strategien und Nachhaltigkeit eine hohe Priorität einnehmen. Und so ist in den letzten Jahren wieder Leben in den ehemaligen Industriekomplex eingezogen. Coverings Etc etwa experimentiert
mit nachhaltigen Werkstoffen. In den Büros von Antrobus + Ramirez werden innovative Raumkonzepte entwickelt, gleich nebenan beherbergt Enea Garden Design kreative Landschaftsarchitekten. Die von Niederländern betriebene SmithDavidson Gallery präsentiert Avantgarde-Kunst, während die Österreicher Lang & Schwander die Hotelindustrie mit modernen Einrichtungslösungen beliefern. Die Niederlassung der 125 Jahre alten Schweizer Traditionsfirma Laufen stellt Badezimmereinrichtungen im Luxussegment vor, während nebenan im hippen Salon Journey – Hair for Life schicke Strähnchen gefärbt werden. Die Rimonim Art Gallery repräsentiert amerikanische und internationale Künstler, während Flaneure auf der Suche nach ausgefallenen Möbel- und Designstücken bei THE FIND fündig werden. Ein paar Schritte weiter trimmt Mickey Demos in seinem Boxstudio Profis und ambitionierte Hobbysportler auf Sieg. Und wer nach so viel Kreativität und urbanem Chic hungrig geworden ist, kann sich in der IronSide Kitchen mit köstlichen italienischen Spezialitäten stärken. Betrieben übrigens von Tommaso Morelato, dem auch das Restaurant Toscana Divino in Brickell gehört.
Wir schlendern mit Ofer Mizrahi durch die diversen Showräume und Galerien. Der Developer erklärt, warum er hier so viele Eukalyptusbäume – über hundert, um genau zu sein – hat pflanzen lassen. »Der Tiefwurzler schützt besonders gut vor Erosion und filtert viel Kohlendioxid aus der Luft.« Besonders stolz ist Mizrahi auf viele kleine Beete mit Blumen und Gras, »ein wahres Paradies für Schmetterlinge«. Und wirklich: In den grünen Flächen zwischen den ehemaligen Lagerhallen flattern inzwischen acht verschiedene Arten von bunten Faltern umher. »Wer in Miami mal für ein paar Stunden in eine kreative, inspirierende Welt eintauchen will, ist bei uns herzlich willkommen«, sagt der Maestro. Überhaupt: Ständig finden in Miami Ironside Veranstaltungen statt, angefangen mit dem »Friday Breakfast«, bei dem sich alle Mieter den Besuchern präsentieren und interessante Vorträge stattfinden. Noch mal ein Halt an den Segmenten der Berliner Mauer. Für Mizrahi auch ein Symbol für das, was er hier aufbauen will und schon aufgebaut hat. »Berlin hat diese rohe und direkte Energie, die Künstler und Gründer aus der ganzen Welt anzieht«, sagt er. Kreatives Brodeln zwischen Morgen-Macchiato und After Hour in Hinterhof-Clubs. Berlin war schon immer hip, das ist nichts Neues. Doch genau dieses Flair will Mizrahi nach Miami holen und hat dabei schon einiges auf den Weg gebracht. Und das ist derzeit vielleicht das Spannendste an Miami Ironside: dass ein einzelner Protagonist das Bild und Ansehen eines ganzen Stadtteils, ja einer ganzen Stadt beeinflussen kann.
Weitere Zukunftspläne? Ofer Mizrahi blinzelt durch das dichte Eukalyptusblätterdach in die Vormittagssonne. Nördlich des Areals, wo jetzt die beiden anderen Teile der Mauer stehen, habe man auf einer Brachfläche direkt neben der Bahnstrecke noch eine ganze Menge Platz für weitere Gebäude. »Bis hierhin und nicht weiter«, scheinen sie derzeit noch zu signalisieren. Irgendwann müssen sie aber weichen, wenn Platz gebraucht wird für den neuen kreativen Zuzug. Miami entwickle sich gerade zum Ort für viele Start-ups der Netzökonomie und Solartechnik, sagt Mizrahi. Warum sollte die Stadt also nicht irgendwann zum Silicon Valley Floridas werden? Wenn jemand den entscheidenden Anstoß dazu geben könnte, dann wohl Ofer Mizrahi. Der Miami-Hype befeuere sich selbst, ist der quirrlige Impulsgeber überzeugt, »hier trifft sich die kreative Elite, weil man hier auf viele Gleichgesinnte stößt und sich zwischen den vielen Neuankömmlingen offene Netze gebildet haben, die ständig weiter wachsen«. Der Architekt und Industriedesigner Ron Arad hat seinen Freund Ofer Mizrahi einmal als »idealistischen Stadtplaner« bezeichnet. An einem Ort wie Miami muss so etwas längst kein Widerspruch mehr sein.