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Sarasota
Zu den Städten mit dem stärksten Zuzug aus anderen Bundesstaaten zählt Sarasota. (Foto © Suncoast Aerials/Shutterstock.com)
Das warme Klima, der verglichen mit anderen US-Regionen noch erschwingliche Lebensunterhalt und die niedrigen Steuern bei einer insgesamt hohen Lebensqualität sorgten schon immer dafür, dass Menschen aus anderen Bundesstaaten wie auch von außerhalb der USA nach Florida zogen. Durch die Covid-19-Pandemie wurde diese Tendenz laut einem Bericht von Palm Beach Florida Weekly aber noch verstärkt. Gemäß einem Report der Demographic Estimating Conference des floridianischen Office of Economic and Demographic Research ist damit zu rechnen, dass sich die Bevölkerung des Sunshine State, die 2019 bei 21,48 Millionen Menschen lag, bis April 2025 auf 23,10 Millionen erhöhen wird. Das entspräche einer Zunahme von 308.497 Menschen pro Jahr. Nach den Worten von Eric Willet, der an der Vorbereitung einer Studie zum Einfluss der Covid-19-Pandemie auf inneramerikanische Migrationsmuster für den Gewerbeimmobiliendienstleister CBRE beteiligt war, erlebte Florida im Jahr 2020 die größte Nettoeinwanderung unter allen US-Bundesstaaten. Die Hauptursache dafür sei die Corona-Krise gewesen.
Laut Budge Huskey, Präsident und Leiter des auf Luxusimmobilien spezialisierten Unternehmens Premier Sotheby’s International Realty, führte die Pandemie dazu, dass die Menschen ihre "Lebensträume" eher in die Tat umsetzten, als sie es sonst getan hätten. In der Folge sei insbesondere bei Immobilien ab 1 Million Dollar ein starker Anstieg der Nachfrage zu verzeichnen: Hier sei die Zahl der Verkäufe bis April gegenüber demselben Zeitraum des vergangenen Jahres um etwa 100 Prozent gestiegen. Shelton Weeks, Professor am Institut für Grundstücksentwicklung und Finanzen der Florida Gulf Coast University, bezeichnet die Pandemie als "Kipppunkt" für Leute, die ohnehin darüber nachgedacht hatten, in den Sunshine State und speziell nach Südwestflorida zu ziehen.
Zu den Neu-Floridianern, die diesen Kipppunkt in jüngerer Zeit erreichten, zählt Chris Donovan, ein Pilot aus Massachusetts und Besitzer einer Hubschraubercharterfirma. Nach seiner Aussage fühlt er sich in Florida freier als in seinem Heimatbundesstaat. Dabei gehe es nicht um Parteipolitik oder die Frage, ob eine Maskenpflicht bestehe oder nicht, sondern schlicht um "Lebensqualität". Florida habe einfach die "richtige Einstellung". Wie Della Booth, Maklerin bei Time Realty Services Inc., feststellt, hat auch die Tatsache, dass die Pandemie viele Leute dazu nötigte, ihr Büro nach Hause zu verlegen, zum vermehrten Umzug in den Sunshine State beigetragen. Ihr Kunde Ryan Hauenstein aus Ohio etwa bezeichnet die Flexibilität, die seine Firma ihm aufgrund der Krise zugestanden habe, gar als "Nutzen von Covid-19": Dadurch habe das Unternehmen erst erfahren, dass Angestellte nicht in einem Büro in der Firma sitzen müssten, um ihre Arbeit zu erledigen. Es sei sogar das Gegenteil der Fall – durch die Arbeit aus dem Homeoffice sei die Produktivität um 25 Prozent gestiegen.
Besonders betroffen von dieser Entwicklung ist das Palm Beach County: Mit einer Nettozuwanderung von 11.000 Menschen gab es dort 2020 das höchste Bevölkerungswachstum unter den acht südostfloridianischen Countys, die in einer Studie des Bewegungsdatendienstleisters Unacast untersucht wurden. Eine anhand der Änderung von Postadressen vorgenommene Analyse der Tageszeitung The New York Times zur US-Binnenmigration nach Beginn der Corona-Pandemie ergab, dass unter den größeren Metropolregionen neben Boise in Idaho insbesondere die Regionen Cape Coral und Sarasota an Floridas Westküste einen starken Zuzug erlebten. Unter den zehn Metropolregionen der USA mit der größten Nettozuwanderung (von insgesamt 926 untersuchten) belegte die Region Naples/Marco Island den 10. Platz. In einer weiteren Studie der Umzugshilfeplattform HireAHelper.com, für die 75.000 Umzüge zwischen 2020 und 2021 herangezogen wurden, landeten die floridianischen Städte Venice, Sarasota, Cape Coral und Punta Gorda in den Top 10 der Städte mit den meisten Zuzügen; 25 Prozent der US-Bürger, die 2020 umzogen, taten dies demnach aufgrund der Pandemie. Laut einer Untersuchung des Umzugsunternehmens U-Haul stand North Port im Sarasota County nördlich des Charlotte County 2020 auf Platz 1 der 25 US-Städte mit den meisten Zuzügen; insgesamt lagen fünf der 25 Städte in Florida.
Die neuen Einwohner des Sunshine State kommen vor allem aus den westlich gelegenen Bundesstaaten Kalifornien, Texas, Colorado und Arizona; im Palm Beach County sind es neben Ex-Kaliforniern insbesondere ehemalige New Yorker. Einer der Gründe für den Umzug liegt für viele auch darin, dass Immobilien in Florida trotz der wachsenden Nachfrage noch immer vergleichsweise erschwinglich sind: Laut Dave Gammon, Leiter der Abteilung für wirtschaftliche Entwicklung des Charlotte County, ist etwa ein Haus, das in Kalifornien 1 Million Dollar kosten würde, in Südwestflorida für ein Viertel dieser Summe zu haben.
Während Käufer von außerhalb, die höhere Preise gewohnt sind, auf den floridianischen Immobilienmarkt drängen, führt dies bei manchen Floridianern allerdings zu einer gegenläufigen Reaktion: Einige hiesige Hausbesitzer, die eigentlich selbst gern umziehen würden, sehen laut dem Magazin Sarasota gerade wegen der starken Nachfrage von einem Verkauf ab, weil sie befürchten, anderswo in Florida keine andere Immobilie nach ihren Vorstellungen mehr zu finden.