Sarasota
Zu den floridianischen Städte mit dem größten Nettozuzug zählt Sarasota. (Foto © jo Crebbin/Shutterstock.com)
Zwischen 2010 und 2020 wuchs die Bevölkerung Floridas um 2,7 Millionen Menschen, was 14,6 Prozent entspricht. Wie das Wirtschaftsmagazin Business Insider schreibt, ist die Bevölkerungswachstumsrate im Sunshine State damit doppelt so hoch wie jene der gesamten USA. Angesichts des Umstands, dass das Durchschnittsalter der floridianischen Bevölkerung relativ hoch liegt, beruht dieser Zuwachs fast vollständig auf dem Zuzug von Menschen aus anderen US-Bundesstaaten oder dem Ausland. Einige wichtige Gründe dafür, dass Florida nicht nur für Pensionäre, sondern zunehmend auch für jüngere, mitten im Berufsleben stehende Menschen und junge Familien eine beliebte Wahlheimat ist, sind allgemein bekannt: Einerseits zieht viele das fast ganzjährig warme oder zumindest milde, sonnige Wetter an, andererseits ist Florida aufgrund der Tatsache, dass es hier keine persönliche Einkommensteuer gibt, insbesondere für viele Besserverdienende als Wohnort attraktiv.
Zum Zuzug vor allem aus anderen US-Bundesstaaten hat aber auch der Umstand beigetragen, dass viele Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie es ihren Angestellten ermöglichten, von zu Hause aus zu arbeiten, und in der Folge einen Teil von ihnen sogar für immer ins Homeoffice schickten, da sich herausstellte, dass sie dort teils sogar produktiver waren, und sich andererseits dadurch Kosten sparen ließen. Nicht wenige Angestellte wie auch Selbstständige aus städtischen Ballungsgebieten mit großer Bevölkerungsdichte und entsprechend hohen Wohnkosten und Immobilienpreisen richteten sich daraufhin ihr Heimbüro in kleineren Städten im Sunshine State ein, wo die Bebauung weniger dicht ist, die Immobilien noch immer weitaus bezahlbarer sind und zugleich auch die coronabedingten Einschränkungen deutlich geringer ausfielen als etwa in New York City.
Doch nicht nur zahlreiche Menschen ziehen jedes Jahr nach Florida, auch immer mehr Unternehmen insbesondere aus der Finanz- oder Technikbranche siedeln sich hier an oder eröffnen Zweigstellen. Laut John Boyd, Leiter der Boyd Company, die Unternehmen bei der Standortwahl ihrer Firmensitze und Niederlassungen berät, entwickelt sich Florida immer mehr zu einem Hotspot für Banken und Finanzdienstleister, während speziell Miami sich zu "einem der heißesten neuen Technikknotenpunkte Nordamerikas" mausere. So verlegt etwa der Hedgefonds Elliott Management sein Hauptquartier nach West Palm Beach, die Private-Equity-Firma Blackstone plant, in Miami ein Büro zu eröffnen, und auch das Investmentbankingunternehmen Goldman Sachs trägt sich mit dem Gedanken, seine Vermögensmanagementabteilung in den Sunshine State zu verlegen.
Infolgedessen boomt in Florida nicht nur der Immobilien-, sondern auch der Arbeitsmarkt: Mittlerweile hat die Zahl der offenen Stellen wieder das Niveau der Vor-Corona-Zeit erreicht, die Zahl der Arbeitslosen befindet sich auf einem Rekordtief, und die mittleren Gehälter in den städtischen Regionen steigen. Unterstützt wird diese Entwicklung auch staatlicherseits durch finanzielle Anreize wie Steuerbefreiungen und ein beschleunigtes Baugenehmigungsverfahren für Firmen, die in Florida Arbeitsplätze schaffen. Zugleich soll der Mindestlohn im Sunshine State von derzeit 8 Dollar bis 2026 auf 15 Dollar pro Stunde angehoben werden.
Zu den Gründen für Privatpersonen und Unternehmen, nach Florida zu ziehen, zählt laut John Boyd auch seine gute Verkehrsinfrastruktur, seien es die über 100 öffentlichen Flughäfen mit verschiedenen Direktflugverbindungen in europäische Städte oder etwa die Schnellzuglinie Brightline, die Miami mit West Palm Beach verbindet und nach Orlando und Tampa verlängert werden soll.
Angesichts der erhöhten Nachfrage stieg der Median-Preis für ein Einfamilienhaus in Florida nach Daten der Maklerorganisation Florida Realtors im ersten Quartal dieses Jahres um 17 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2020. Laut Florida Trend erhöhte sich die Zahl der abgeschlossenen Verkäufe parallel dazu um 19,4 Prozent. Gleichwohl kosten Eigenheime im Sunshine State immer noch deutlich weniger als in vielen US-amerikanischen Metropolen wie etwa San Francisco oder New York, und auch die Lebenshaltungskosten sind geringer; in Orlando liegen sie nach Angaben von Casey Barnes, Direktor für Unternehmensentwicklung der Organisation Orlando Economic Partnership, beispielsweise um 6 Prozent unter dem US-Durchschnitt. Bemerkbar macht sich die gestiegene Nachfrage insbesondere bei Immobilien im höheren Preissegment: So stiegen die Verkäufe von Einfamilienhäusern mit einem Preis von mindestens 1 Million Dollar laut einem Report der Immobilienmaklerfirma Sotheby’s International Realty im Palm Beach County gegenüber 2020 um 140 Prozent.
David Cobb, lokale Führungskraft des Immobilieninformationsdienstleisters Zonda, führte bei der Informationsveranstaltung "Market Watch" in Estero aus, dass die Zahl der verkauften neuen Wohnhäuser im vergangenen April um 79 Prozent über jener im Vergleichsmonat des vergangenen Jahres lag, wie The News-Press berichtet. Besonders gefragt ist demnach die Region Naples, die US-weit im Hinblick auf verkaufte Neubauten an vierter Stelle stand, was einer Steigerung von 150 Prozent gegenüber 2020 entspricht. Laut Zonda haben einige Bauherren in Südwestflorida den Verkauf von Häusern bereits zeitweilig eingestellt, weil sie mit der Nachfrage nicht mehr Schritt halten können. Einen ähnlichen Engpass gebe es im Hinblick auf für den Hausbau zur Verfügung stehende Grundstücke. Zu den Städten, die von dem Zuzug in den Sunshine State und damit auch von der gesteigerten Immobiliennachfrage besonders betroffen sind, zählen laut Cobb Tampa, Sarasota sowie die Region Cape Coral/Fort Myers. Im Lee County etwa lag der Median-Preis für ein existierendes Einfamilienhaus im Mai bei 365.000 Dollar und stieg damit um 10.000 Dollar gegenüber dem Betrag des Vormonats, wie Matt Simmons von der Immobiliengutachterfirma Maxwell, Hendry & Simmons LLC darlegte. Zugleich ging die Zahl der Verkäufe angesichts des schrumpfenden Angebots zurück.
David Cobb rechnet angesichts des Immobilienbooms mit steigenden Hypothekenzinsen. Nach der Prognose von Zonda werden sie sich Ende des Jahres 3,5 Prozent annähern und 2022 auf 4 Prozent zusteuern. Somit würden sich die derzeit noch recht geringen Zinsen zu einem zunehmend wichtigen Faktor beim Hauskauf entwickeln.