1 von 2
Bis zum Horizont und weiter: paddeln Richtung Golf (Foto: © Lee County Visitors & Convention Bureau)
2 von 2
Auf zum Kajak-Abenteuer! (Foto: © Lee County Visitors & Convention Bureau)
Aller Anfang ist schwer. Die ersten paar Kilometer flussabwärts des Estero Rivers gehen arg in die Oberarme. Denn »flussabwärts« ist hier im Moment allenfalls geographisch korrekt. In Wahrheit drückt die hereinkommende Flut das Wasser der Estero Bay den schmalen Flusslauf hoch und beschert uns –neben kräftigen Böen aus dem Westen – eine formidable Herausforderung. Mann und Frau in zwei bunten Kajaks, ausgestattet für eine rund 15 Kilometer lange Tagestour in Richtung Fort Myers Beach, von wo uns die freundlichen Jungs von Estero River Outfitters am späten Nachmittag wieder abholen sollen.
Wir sind früh gestartet, die Kajak-Vermietung liegt verkehrsgünstig am Tamiami Trail (State Road 41). Rein in die wackeligen Gefährte – und los! Zunächst geht es den mäandernden Wasserweg entlang durch dichte Mangrovenwälder, vorbei am Koreshan State Park, bescheidenen Rentner-Domizilen und »Trailerparks«, von deren Ufer aus uns die betagten Bewohner freundlich zuwinken. Später nimmt die Bebauung ab, hier und da liegen noch vereinzelte Häuser am Fluss, ehe man endlich das Gefühl hat, in der Wildnis angelangt zu sein: verschwiegene Buchten, tiefgrüne Mangrovenwälder. Und überall tropische Vögel. Gelegentlich springen kräftige Fische, die »Mullets«, in akrobatischen Luftnummern aus dem Wasser heraus.
Der Estero River ist einer der Seitenarme des Great Calusa Blueway, einem vor rund zehn Jahren im Lee und Collier County eingerichteten (und gut ausgeschilderten) Paddel-Wanderweg, der im Süden am Imperial River beginnt und sich nach Norden hin an Fort Myers Beach, Sanibel Island, Cayo Costa und Pine Island vorbei bis hin zum Charlotte Harbor Preserve State Park erstreckt.
Plötzlich eine gute Nachricht: Der Wasserpegel hat seinen Höhepunkt erreicht – und nur Minuten später schiebt uns die nun entgegengesetzte Strömung sanft in Richtung Estero Bay. Paddeln de luxe! Wir bewundern die Eleganz, mit der ein Fischreiher von einem Mangrovenast abfliegt, entdecken am Ufer sogar ein Fischadlerpärchen. Unvermittelt hebt sich in einiger Entfernung ein dunkles Etwas für zwei Sekunden aus dem Wasser. Die Wölbung eines dicken, runden Körpers: ein Manati! Wir hören schlagartig auf zu paddeln. Jetzt bloß kein Geräusch machen. Und tatsächlich: Das Manati kommt geradewegs auf uns zu. Und stupst sogar mit der Nase unsere Kajaks an.
Wir erreichen den Mound Key inmitten der Estero Bay. Im Prinzip eine vorgeschichtliche Müllkippe, an- gelegt und aufgetürmt von den Calusa-Indianern, die hier zur Zeit der ersten Kontakte mit Weißen im südwestlichen Florida lebten. Die Hügel wurden in Dorfnähe überwiegend aus Muscheln und Schalenresten errichtet – die Überbleibsel eines Outdoor-Buffets!
An der Südwestseite des Mound Key befindet sich eine kleine, schützende Bucht, wo wir mit den Kajaks anlegen. Vom zehn Meter hohen »Gipfel« haben wir einen schönen Ausblick über die Bay: von den Mangrovenwäldern im Osten bis zu den Hochhäusern an den Stränden von Bonita Beach und Estero im Westen. Für die ehemaligen Bewohner war es sicher ein strategischer Vorteil von hier oben aus sehen zu können, wenn sich von irgendwoher Feinde heranzupirschen versuchten.
Nach einer improvisierten Mahlzeit aus Müsliriegeln und Gatorade und einem kurzen Abstecher zu einer Ziegenherde, die in einem abgezäunten Areal (dem einzig noch in Privatbesitz verbliebenem Stück auf der Insel) ihr karges Dasein fristet, geht es für uns weiter in Richtung Fort Myers Beach. Entlang des Estero Bay Preserve State Park paddeln wir Dank einer kräftigen Strömung im Rücken zügig durch das Wirrwarr der kleinen Inselchen und Kanäle. Rechts und links nimmt die urbane Bebauung langsam zu. Keine Frage: Die Zivilisation hat uns wieder!
Warum auch nicht? Nach unserer Körperertüchtigung freuen wir uns schließlich auf eine ordentliche Stärkung. An Segelbooten und Motorjachten vorbei, kommen wir unserem Ziel, der Doc Ford's Rum Bar, ein erhebliches Stück näher. Kurz vorm Anlegen am Dock noch eine Schrecksekunde: Ein Freizeitkapitän scheint nichts von der »No Wake Zone«-Regel im Hafen zu halten und rauscht mit einigem Tempo an uns vorbei. Die Bugwelle bringt uns arg ins Schaukeln.
Doch irgendwie schaffen wir es, uns auf dem Kamm der Wellen in der Horizontalen zu halten. Umso schöner ist es, anschließend auf der Terrasse des Restaurants einen »Arnold Palmer« (eine Mischung aus Eistee und Limonade) und einen riesigen Berg Buffalo- Shrimps zu verdrücken, ehe uns unser Abholer wieder aufsammelt und mitsamt unserer Kajaks zurück Richtung Estero chauffiert. Und seine erschöpften Passagiere im Übrigen daran erinnert, wie schnell man doch eine Strecke von rund 15 Kilometer mit dem Automobil bewältigen kann …
Weitere Informationen
Der Great Calusa Blueway bietet Kanu- und Kajakfahrern jeder Leistungsstärke ein einmaliges Erlebnis. Informationen erhalten Sie beim Lee County Visitor & Convention Bureau unter der (innerhalb der USA gebührenfreien) Rufnummer (800) 237-6444, unter www.fortmyers-sanibel.com oder direkt unter www.greatcalusablueway.com.
Wer kein eigenes Kajak mitbringt, kann sich in vielen Hotels eines leihen. Darüber hinaus bieten viele sogenannte »Outfitters« die Möglichkeit, Kanu, Kajak und Ausrüstung zu mieten. Wer will, kann sich einer geführten Paddeltour mit einem erfahrenen Guide anschließen.
Doc Ford's Rum Bar & Grille
708 Fisherman's Wharf, Fort Myers Beach
Telefon (239) 765-9660
www.docfordsfortmyersbeach.com
Öffnungszeiten: 11 bis 22 Uhr
Estero River Outfitters
20991 South Tamiami Trail, Estero
Telefon (239) 992-4050