Volle Konzentration: Sandra Gal beim Schlag aus dem Bunker (Foto: © Friedrich Schmidt)
Welcher Golfer braucht nicht ab und zu Trost für seine geschundene Seele. Da hält er sich ganz genau an die Tipps seines Pros und denkt beim Abschlag an die sieben wichtigsten Dinge gleichzeitig: von »Kopf ruhig halten« über »Hüfte voraus drehen« bis »Ballflug genießen«. Das Gefühl ist exzellent, der Ballflug wundervoll – aber nur so lange, bis der Ball es sich anders überlegt, in einer scharfen Kurve nach rechts zieht und im Gehölz verschwindet. Jetzt gilt es nicht zu verzweifeln. Wie das geht, erfährt man am besten, wenn man sich die Zeit nimmt, ein PGA-Turnier mit den weltbesten Golfern zu besuchen. Gerade in Florida gibt es einige Events, bei denen man den Stars in die Augen sehen kann. Wo man mitfühlen kann, wie nahe Triumph und Verzweiflung beieinander liegen. Hier ist man dran an der Realität und erlebt ganz hautnah, wie ein Ein-Meter-Putt vorbeiläuft oder ein Dreihundert-Meter-Drive im Wald verschwindet. Kommentar eines Zuschauers dazu: »He killed a tree.« Wen es nun reizt, so etwas zu erleben, dem seien zwei Turniere im Süden Floridas in Naples besonders empfohlen, bei denen nur die absolute Elite am Start ist.
Der Tiburón-Platz ist in eine traumhafte Landschaft eingebettet, und die Zuschauerzahlen sind moderat. Jeder hat hier die Chance, in der ersten Reihe zu stehen. Wer lieber sitzt, findet ohne Probleme auf einer der sieben Tribünen Platz. Besonders zu empfehlen ist das am Loch 9, das von einem mächtigen Bunker – einer sandgefüllten Grube – »bewacht« wird. Hier treten die Ladys Mitte November beim CME Group Tour Championship an. Beim ProAm am ersten Tag läuft alles noch recht locker, und Caroline Masson oder Sandra Gal freuen sich, wenn man ein paar deutsche Worte mit ihnen wechselt. Am nächsten Tag wird es dann ernst – schließlich geht es um viel Geld. Nun ist absolute Konzentration angesagt. Meisterinnen darin sind insbesondere asiatische Spielerinnen wie Shanshan Feng oder Lydia Ko. Ganz gleich, ob der Schlag auf dem Grün landet oder im Rough, der Gesichtsausdruck bleibt meist vollkommen stoisch. Erst später auf dem Siegertreppchen zeigen sie ein breites Lächeln.
Vier Wochen später, Mitte Dezember, starten die Herren auf demselben Platz beim Einladungsturnier von »The Shark« Greg Norman. Ursprünglich nach dem Gastgeber benannt, steht es heute als Franklin Templeton Shootout im Terminkalender. Geblieben ist das illustre Feld. Hier ist nur startberechtigt, wer in der Geldrangliste ganz vorne platziert ist oder eine der raren Wildcards des Sponsors ergattert. Ähn- lich wie beim Ryder Cup spielen Zweier-Teams um Sieg, Geld und Ruhm. An den zwei Tagen vor dem Turnier geht es noch genauso locker zu wie zuvor bei den Damen, und wer fünfzehn- oder zwanzigtausend Dollar übrig hat, kann sich im Vierer-Flight von einem PGA-Sieger die besten Tipps geben lassen. Beim abendlichen Players' Dinner – und für den Rest seines Lebens – kann er dann an das großartige Erlebnis zurückdenken, wie er einen Acht-Meter-Putt (auf Golf-Neudeutsch: »24-footer«) versenkt hat, den der PGA-Star vorbeigeschoben hatte, und darauf mit einem extra Schluck Champagner anstoßen. So können Träume wahr werden.
Bitterernst wird es für die Profis dann an den folgenden drei Tagen. Wir als Zuschauer dürfen uns entspannen und staunen, wie sicher Spieler wie Jason Day oder Sandra Gal den Ball aus dem Bunker schlagen, und wenn ein Zuschauer dann bemerkt »He killed a tree«, ist auch ein stilles Lächeln erlaubt. Golfgötter sind eben doch ganz normale Menschen.