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Viktorianische Eleganz: der Salon unseres Inns (Foto: © Dirk Rheker)
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Im behaglichen Ambiente schmecken Breakfast-Muffins und Rührei doppelt so gut. (Foto: © Dirk Rheker)
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Eines der stilvollen Gästezimmer (Foto: © Dirk Rheker)
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Tradition des Südens: "Front porch sittin'..." (Foto: © Dirk Rheker)
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Das McFarlin House: Juwel der "guten alten Zeit" (Foto: © Dirk Rheker)
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Das prächtige Gerichtsgebäude von Quincy. (Foto: © Dirk Rheker)
Irgendwie kommt man gleich ins Historische. Wie sollte es auch anders sein, atmet jede knarrende Dielenbohle und jede silberne Teekanne hier doch die Geschichte vieler Generationen. Inn-Keeper Richard Fauble steht vor dem antiken Nussbaum-Vertiko und erzählt den Gästen des McFarlin-Hauses die unglaubliche Geschichte des Örtchens Quincy. Macht er gerne, das spürt man. Hat er bestimmt schon hunderte Male so vorgetragen. Aber immer wieder geht ein Raunen durch das stilvolle Speisezimmer dieses auf charmante Weise antiquierten Bed & Breakfasts. Also: Der Provinzbanker Mark W. Munroe hatte Anfang des vergangenen Jahrhunderts Geschäftskontakte zu einer Firma in Atlanta, die 1919 für 40 Dollar ihre Aktien an den Mann bringen wollte: the Coca-Cola Company.
Der Bankchef sorgte dafür, dass fast jeder Farmer aus Quincy ein paar Aktien jener Firma erwarb, die ein Produkt verkaufte, das damals noch als Heilmittel galt: Coca-Cola. Doch die braune Brause wurde zum Welterfolg – aus jedem 1919 gekauften 40-Dollar-Papier waren Ende 1998 (dem bisherigen Höchststand des Kurses) durch Splits 4.608 Aktien im Wert von 6,7 Millionen Dollar geworden. Und das Farmer-Nest Quincy konnte inzwischen mit mehreren Milliardären und dem höchsten Pro-Kopf-Vermögen der USA aufwarten.
Übrig geblieben ist von dem Reichtum auf den ersten Blick nicht viel: ein paar Straßenzüge mit viktorianischen Villen, versteckt hinter riesigen, von spanischem Moos behängten Eichenbäumen, ein schmuckes Gerichtsgebäude, ein paar Coca-Cola-Wandmalereien in einer ansonsten typisch amerikanischen Kleinstadt. Die Milliarden scheinen sich in alle Himmelsrichtungen verflüchtigt zu haben. Doch man soll sich nicht täuschen lassen, sagt unser Gastgeber Richard. »Hinter mancher Fassade sitzen hier immer noch steinalte – und steinreiche – Herrschaften, die aus Sparsamkeit und Stolz nie auch nur eine einzige Aktie verkauft haben.« Wie schön für die Erben!
Richard und Tina Fauble selbst sind vor 15 Jahren mit ihren Kindern aus Michigan nach Quincy gekommen. Beide wollten sich nach erfolgreichen Karrieren ihren Traum erfüllen und eine stilvolle Herberge für Menschen einrichten, die das Ambiente der »guten alten Zeit« zu schätzen wissen. Sie kauften das alte McFarlin-Haus (das im Übrigen schon vor dem Coca-Cola-Boom von einem reichen Plantagenbesitzer errichtet worden war), restaurierten das halb zerfallene Anwesen und kümmern sich seither liebevoll um sämtliche Belange ihrer Gäste.
Während unseres Aufenthalts blühen gerade die Azaleen und tauchen dieses nördliche Stück Florida in ein rauschendes Farbenmeer aus Pink und frischem Grün. Wir fahren zum Lake Talquin, versuchen uns beim Bass Fishing (leider erfolglos), besuchen im nahe gelegenen Tallahassee das hübsche Museum of Florida History und die berühmten »Canopy Roads«, jene mit Epiphyten behängten Bäume und Büsche, von denen viele die Straßen der Hauptstadt säumen. Ein plötzlich aufkommender Sturm – Margaret Mitchell lässt herzlich grüßen – verweht im wahrsten Sinne des Wortes unsere touristische Expedition.
Genauso schön ist es aber, am Nachmittag (bei nun wieder besserem Wetter) in unserem Inn in Quincy einzutreffen und im Schaukelstuhl auf der Veranda zu sitzen. Ein Gast hat eine Gitarre mitgebracht, spielt ein paar alte Bob-Dylan-Songs. Es liegt tatsächlich etwas von »Tara« in der Luft, von Rhett Butler und Scarlett O'Hara. Die mysteriöse Aura des amerikanischen Südens eben. Wir lassen uns einfangen von Old Dixie – und grübeln im Laufe des Abends nur noch selten darüber nach, was wäre, wenn unsere Großeltern damals ein paar Aktien von Coca-Cola gekauft hätten ...
McFarlin House
305 East King Street
Quincy (20 Kilometer nordwestlich von Tallahassee)
Reservierungen (850) 875-2526
Preise pro Doppelzimmer von 99 bis 229 Dollar