1 von 3
Per Hebebühne werden die Paletten in den Frachtraum befördert. (Foto: © Dirk Rheker)
2 von 3
Küken global: befruchtet in Amerika, ausgebrütet in Osteuropa (Foto: © Terekhov Igor)
3 von 3
Big Bird: der airberlin-Airbus am Gate (Foto: © Dirk Rheker)
Ganz behutsam schieben die Arbeiter die dreieinhalb Tonnen schwere Palette vom flachen Trolley auf die Hebebühne. Von dort wird das Gepäckstück in XXL-Größe hoch zur Frachtklappe des Airbus A330-200 geliftet und langsam in den Bauch des gewaltigen Jets befördert, wo es in Position gebracht und verankert wird. Vorsicht ist geboten, denn bei der in braune Kartons gepackten Fracht, zusammengeschnürt und in Plastikfolie verschweißt, handelt es sich um ein ganz besonderes Gut: befruchtete Hühnereier, auf dem Weg von ihrem Ursprungsort, den Farmen im Bundesstaat Georgia, via Flughafen Fort Myers, Düsseldorf und Frankfurt zu ihren Ausbrütstationen in Russland und der Ukraine. Insgesamt 17 Tonnen der speziellen Fracht gehen heute mit dem Jet von airberlin auf ihren Weg über den Atlantik.
Nichts Ungewöhnliches, wie wir lernen. »Neben Autoteilen, elektronischen Komponenten, Farnen für den Blumenhandel in den Niederlanden sind Hühnereier schon seit einiger Zeit eines der Hauptgüter, die hier vom Flughafen in Richtung Deutschland transportiert werden«, sagt Al N. Gulamali, Senior Manager der Terminal & Landside Operations am Southwest Florida International Airport. Gulamali unterstützt die Airlines in Sachen Beiladefracht, im Fachjargon »Belly-Ladung« genannt. Ein florierendes Geschäft: Allein am Airport in Fort Myers wurden im vergangenen Jahr mehr als 17.000 Tonnen Fracht umgeschlagen. Damit ist der Flughafen im Vergleich mit wahren Cargo-Giganten wie etwa dem Miami International Airport zwar ein Winzling, aber die Steigerungsraten sind auch hier beachtlich.
Die Mitnahme von Cargo-Sendungen hat sich zu einem zentralen Ergebnisbringer für die Passagier-Airlines gemausert, bestätigt auch Victoria B. Moreland, Pressesprecherin der Lee County Port Authority, Betreibergesellschaft des Flughafens. Durch immer gewaltigere Jets gelingt es, immer größere Mengen an Gütern mitzunehmen. Insbesondere solche, bei denen im Jargon der Branche eine »Eilbedürftigkeit« besteht: lebende Tiere, tropische Blumen und exotische Früchte, verderbliche Lebensmittel, Zeitungen und Filme, saisonabhängige, modische Textilien oder auch besonders hochwertige Hightech-Produkte.
Allein airberlin hat in Fort Myers sein Frachtaufkommen von etwa 2.000 Tonnen im Jahr 2008 auf 4.000 Tonnen im vergangenen Jahr verdoppelt – und macht damit fast ein Viertel des Volumens des hiesigen Airports aus. Daniel Hart koordiniert für die Deutschen die Verladung der Fracht. »Outbound Richtung Deutschland sehen wir meist immer die gleichen Güter: Autoteile deutscher Hersteller, die hier Werke in den USA haben, medizintechnische Instrumente – und natürlich besagte Hühnereier.« Von Deutschland aus dagegen kommen alle möglichen Dinge mit airberlin eingeflogen. »Eine Wundertüte«, wie Hart scherzt: »Vom Konzertflügel über den luxuriösen Sportwagen bis hin zu Maschinenbauteilen ist alles vertreten.« Eine Zeit lang seien mit jedem Flug einige Harley-Davidsons eingeschwebt – ein findiger deutscher Geschäftsmann hatte angesichts eines damals günstigen Wechselkurses die Ikonen der amerikanischen Motorradindustrie reimportiert und hier gegen erklecklichen Profit wieder verkauft. »Doch irgendwann machten ihm der steigende Euro und strengere Auflagen zur Umrüstung auf US-Standards einen Strich durch die Rechnung.«
Inzwischen ist auch Palette Nummer 5 mit den Hühnereiern im Frachtraum des Airbus verstaut und gesichert. Schnell muss es gehen, »wenn die zu lange bei 30 Grad auf dem Asphalt stünden, würden die Küken wahrscheinlich schon hier schlüpfen«, scherzt Al Gulamali. Mittlerweile sind auch die Passagiere an Bord gegangen und haben es sich in ihren Sitzen bequem gemacht. Und dann hebt sie wieder ab, die rot-weiße Maschine mit dem Schriftzug airberlin. Auf dem Weg nach Hause. Und ab in Richtung neue Heimat für Zehntausende ungeschlüpfte Küken.