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Nach Tausenden von Vorbereitungsstunden konzentriert sich alles auf den Start. Die Raumfähre beginnt ihre nächste Mission. (Foto: © Kennedy Space Center)
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Die Crew des Space Shuttle Atlantis nach gelungener Mission vor dem Raumgleiter. (Foto: © Kennedy Space Center)
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Abschuss einer Raumfähre – selbst für erfahrene Weltraum-Fans immer wieder ein überwältigender Anblick. (Foto: © Kennedy Space Center)
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Eindrucksvoll: Im »Rocket Garden« kann man Raketen aus mehreren Jahrzehnten Raumfahrt bewundern. (Foto: © Kennedy Space Center)
Da liegen wir nun auf dem Rücken, die Beine angewinkelt, etwa 60 Meter über der Erde im Middeck unseres Spaceshuttles, eine der Raumfähren, die uns in wenigen Sekunden in den Weltraum bringen soll. Wir schließen das Visier und hören nichts mehr. Nur noch den auf das Notwendigste reduzierten, stakkatoartigen Funkverkehr des Mission Control Centers nehmen wir wahr.
Dann der Start. Sechs Sekunden vor dem Abheben werden die drei Flüssigkeitstriebwerke gezündet. Wir schwingen wie in einer Schiffsschaukel nach vorn und dann wieder zurück. Dabei vibriert der Raumgleiter wie bei einem Erdbeben. Wir spüren überraschend wenig vom überwältigenden Donner, der draußen den Zuschauern das Zwerchfell beben lässt, und vom hellen, peitschenden Krachen der Feststoffbooster. Und dann hören wir über Funk nur noch: »Ignition - Lift-off!« Der Spaceshuttle hat abgehoben.
Oder wäre abgehoben, hätte das Ganze nicht im Simulator stattgefunden. So oder ähnlich werden Besucher ab Mai »hautnah« den Start eines Spaceshuttles erleben können. Dann nämlich, wenn im Visitor Complex des Kennedy Space Center (KSC) die »Shuttle Launch Experience« eröffnet wird, ein 60 Millionen Dollar teurer Technik-Spaß. Ein Team von Astronauten und NASA-Ingenieuren hat über Monate am Prototyp dieser Attraktion gearbeitet – mit Atem beraubendem Ergebnis. »Die Shuttle Launch Experience wird einen bleibenden Eindruck bei jedem Besucher hinterlassen«, verspricht Daniel LeBlanc, Chief Operating Officer des Kennedy Space Center Visitor Complex.
Der Mann weiß, wovon er spricht. Denn schon heute gibt es am Weltraumbahnhof der NASA auf Merritt Island jede Menge zu sehen und zu erleben. Ein Freizeitpark, der mitten im Leben steht, sozusagen. Von hier aus starteten seit Dezember 1968 alle bemannten Raumflüge der USA: zuerst die Apollo-Missionen und seit 1981 die Spaceshuttles. Und auch in Zukunft wird das KSC das Sprungbrett zur Eroberung des Weltalls sein.
Am Morgen waren wir über den NASA Causeway gefahren. Da viele Bereiche des riesigen Geländes aus Sicherheitsgründen gesperrt sind, dient das Areal als Hort für viele geschützte Wildtiere. Die Nordspitze der Insel ist sogar ganz für das Merritt Island National Wildlife Refuge reserviert. Wir sahen Seeadler, die ihren gewaltigen Horst auf einer Palme gebaut hatten. Delfine schwammen im Wasser und Reiher staksten seelenruhig am Ufer. Fast hätten wir vergessen, dass wir ja wegen der Technik hier waren und nicht, um Natur zu erleben.
Im Visitor Complex erfuhren wir anhand vieler Dokumente und Ausstellungsstücke alles über Geschichte und Zukunft der amerikanischen Raumfahrt. Wir besichtigten eine Nachbildung des »Space Shuttle Explorer« von außen und von innen und bewunderten im »Rocket Garden« alle wichtigen Raketenmodelle von der deutschen V2 bis zur riesigen Saturn 5. Anschließend nahm uns im IMAX-Kino der Film »Space Station 3D« – übrigens erzählt von Oscar-Preisträger Tom Hanks – mit auf eine Reise zur Internationalen Raumstation. Besonders fasziniert waren wir von den aus dem Weltraum aufgenommenen Bildern der Erde.
Der überdachte Spielbereich (Play Dome), komplett mit einer Raumfähren-Spiellandschaft im Maßstab 1 zu 5, war anschließend die Attraktion für die Kleinen. »Exploration in the New Millennium« (Entdeckungen im neuen Jahrtausend) ist eine Ausstellung zum Anfassen – hier kann man sogar einen Gesteinsbrocken vom Mars berühren. Großen Spaß hatten wir auch an der Robot-Scouts-Ausstellung – einer schrillen Multimedia-Präsentation. In der Show »Mad Mission to Mars 2025« (Verrückte Mission zum Mars 2025) werden stereoskopische 3D-Computeranimationen, spektakuläre Bühneneffekte und verrückte Figuren eingesetzt, um die Gäste in »Astronautenlehrlinge« zu verwandeln und sie dann auf eine interaktive Reise durch den Kosmos zu führen.
Höhepunkt unserer Visite war allerdings die anschließende Rundfahrt über einen Teil des eigentlichen NASA-Geländes. Auf der Strecke verkehren zwischen 9.45 und 15.30 Uhr in kurzen Abständen Busse, die man an drei Stationen verlassen kann, um später die Fahrt fortzusetzen. Der Trip führte zunächst zum »Launch Schedule & Status Center« in der Nähe der Raketenabschussrampen, wo beim Start der Countdown läuft. Im »Apollo/Saturn 5 Center« steht die Geschichte des Apollo-Programms und der russisch-amerikanische Wettlauf zum Mond im Mittelpunkt. Dritte Station ist das »Space Station Center«, in dem es um den Bau der internationalen Raumstation geht. In der riesigen Montagehalle, in der die Raumfähren und die Module für die Raumstation zusammengebaut werden, spürten wir ganz deutlich, dass man hier nicht in Disneyland ist, sondern gewissermaßen live bei einem der spannendsten Projekte der Menschheitsgeschichte dabei sein darf.
Und weil wir uns am Thema »Weltraum« auch nach Stunden noch immer nicht satt gesehen hatten, machten wir einen Abstecher zur »U.S. Astronaut Hall of Fame« und ließen uns hier im Simulator kräftig durchschütteln, jagten über das Marsgelände und erlebten Schwerelosigkeit und Beschleunigungskraft an eigener Haut. Das Museum wurde 1990 auf Initiative ehemaliger Mercury-Astronauten eröffnet und zeigt Instrumente, Gerätschaften und viele Fotos. Die eigentliche »Hall of Fame« ist tatsächlich eine Ruhmeshalle, in der Astronauten wie John H. Glenn, Alan B. Shepard und Neil Armstrong gefeiert werden. Faszinierend!
Übrigens: Möchten Sie einen Start aus erster Hand erleben? Planen Sie Ihren nächsten Besuch einfach zu einem Datum, an dem die NASA einen Raketen- oder Raumfährenstart durchführt. Spezielle Eintrittskarten zur Startbeobachtung auf dem Gelände des Kennedy Space Centers sind im Besucherzentrum erhältlich. Sie haben aber auch die Möglichkeit, den Start kostenlos von den Stränden entlang der A1A in Cape Canaveral und Cocoa Beach mitzuverfolgen. Und können dann von dort aus Ihre Fantasie in Galaxien schweifen lassen, »die nie ein Mensch zuvor gesehen hat ...«
Das Kennedy Space Center besteht aus fünf Bereichen, der »KSC Industrial Area«, dem »Launch Complex 39« mit seinen beiden Startrampen LC-39A und LC-39B sowie der »Shuttle Landing Facility« und dem Besucherzentrum
für Touristen.
KSC Industrial Area
Hier sind Verwaltungsgebäude der NASA sowie der Zulieferfirmen untergebracht. Außerdem befindet sich hier die »Space Station Processing Facility« für die Internationale Raumstation sowie das »Operations & Checkout Building«, in dessen oberem Stockwerk die Astronauten wohnen, wenn sie sich zu Tests oder vor dem Start in Florida aufhalten.
Launch Complex 39
Alles überragend im Mittelpunkt steht das riesige »Vehicle Assembly Building«, welches Montageplätze (»High Bays«) für vier Raketen vom Typ Saturn 5 bietet und heute zur Montage des Spaceshuttles mit dem externen Tank und den Hilfsraketen dient. Die Südflanke des Gebäudes wurde 1976 zum 200-jährigen Geburtstag der USA mit einer 64 mal 33,5 Meter breiten US-Flagge bemalt. Da das Vehicle Assembly Building nicht klimatisiert ist, bildeten sich anfangs bei feuchtem Wetter regelmäßig Regenwolken unter der Decke, was mit dem Einbau einer Entfeuchtungsanlage behoben wurde. Von hier aus führen zwei Schotterspuren für die »Crawler Transporter« etwa sechs Kilometer in Richtung der Startplätze. Das KSC besitzt zwei Crawler Transporter, mit denen die bis auf den Flüssigtreibstoff startfertigen Raketen zu den Startplätzen gefahren werden. Die riesigen Transporter benötigen für die Strecke zu den Startplätzen fünf Stunden.
Startrampen LC-39A und LC-39B
Die beiden Startrampen befinden sich nahe dem Atlantikstrand, rund drei Kilometer voneinander entfernt. Da die Spaceshuttles bei weitem nicht die Höhe der Saturn-5-Raketen haben, wurde der ursprüngliche Gerüstturm gekürzt und bildet jetzt die 81,3 Meter hohe »Fixed Service Structure«, in der sämtliche Versorgungsstränge zum Spaceshuttle verlaufen. Die »Rotating Service Structure« kann wie eine Schutzhaube über den Spaceshuttle gedreht werden und dient, neben dem Wetterschutz, zur Beladung der Transportluke des Shuttles. Um die Anlagen wie auch das startende Gefährt vor den zerstörerischen Schallwellen zu schützen, werden beim Start innerhalb weniger Sekunden mehr als eine Million Liter Wasser auf den unteren Bereich gesprüht. Gleich neben den Türmen befinden sich die runden Treibstofftanks für Wasserstoff und Sauerstoff, die jeweils ungefähr 3,3 Millionen Liter gekühltes Flüssiggas enthalten. Der externe Tank des Spaceshuttles wird wegen der Explosionsgefahr erst kurz vor dem Start aus diesen beiden Rundtanks befüllt.
Shuttle Landing Facility
Rund drei Kilometer nordwestlich des Vehicle Assembly Buildings befindet sich die »Shuttle Landing Facility«, welche im Wesentlichen aus der 4572 Meter langen und 91 Meter breiten Landebahn besteht. Diese ist mit der »Orbiter Processing Facility« über eine Asphaltstrecke verbunden. Sollte der Spaceshuttle an einem anderen Ort gelandet sein, wird es Huckepack mit einer der beiden Boeing 747 SCA zum Kennedy Space Center gebracht und direkt an der Lande- bahn mithilfe der »Mate/Demate Device« vom Transportflugzeug getrennt.
KSC Visitor Complex
Der KSC Visitor Complex ist das Informationszentrum für Besucher. Im »Rocket Garden« sind Raketen aller Generationen beginnend mit dem Nachfolger der deutschen V2 sowie (im angrenzenden Museum) eine benutzte Raumkapsel aus den sechziger Jahren ausgestellt. Das Besucherzentrum bietet zahlreiche Ausstellungen und ist Startpunkt für unterschiedliche Bustouren über das KSC-Gelände, bei denen auch das »Apollo/Saturn 5 Center« angesteuert wird. Dort befindet sich eine der zwei verbliebenen Saturn-5-Raketen. In einem kleinen Theater wird eine Saturn-5-Mission vom Start bis zur Landung auf dem Mond nachgestellt. Im Visitor Complex kann man leibhaftige Astronauten treffen und sogar mit ihnen essen und plaudern. Oder sich bei der »Astronaut Training Experience« (ATX) in einer originalgroßen Nachbildung der Raumfähre auf eine fiktive Weltraummission vorbereiten. Höhepunkt ab Mai 2007: die »Shuttle Launch Experience«.
Anfahrt
Rund 47 Meilen östlich von Orlando – erreichbar über die gebührenpflichtige SR 528 (Bee Line Expressway) oder die SR 50 und von dort über die SR 405, die den Indian River überquert und direkt ins Visitor Center des Space Centers führt. Von Süden oder Norden kommend über die I-95 (Exit 79) oder US 1, dann wieder auf die SR 405.
Öffnungszeiten
Täglich von 9 bis 17.30 Uhr (außer am 25. Dezember und an den Starttagen des Spaceshuttles)
Eintrittspreise
»Maximum Access Admission« mit Zugang zu allen Ausstellungen und Filmen wie auch eine Bustour zum Startkontrollzentrum und Raumfahrtzentrum kostet 38 Dollar für Erwachsene und 28 Dollar für Kinder. Weitere Informationen unter der Telefonnummer (321) 449-444 oder im Internet unter www.KennedySpaceCenter.com