Feuchtes Bussi: Shamu war einer der frühen Stars der Orca-Shows in SeaWorld Orlando (Foto: © State Archives of Florida)
Wollen wir an dieser Stelle nicht zu wissenschaftlich werden. Nur so viel: Der Begriff »Anthropomorphismus« bezeichnet das Zusprechen menschlicher Eigenschaften unter anderem auf Tiere. An sich ja nichts Schlechtes: Die Weltliteratur ist voll davon.
Ob Äsop, Johann Wolfgang von Goethe oder George Orwell – sie alle wussten, dass sich manche Dinge halt leichter durch Fuchs, Has', Esel und Hund sagen lassen.
Was aber treibt uns dazu, selbst furchteinflößenden Raubsäugern der Meere wie dem Schwertwal (»Küsschen für die Besucherin«) eine irgendwie menschliche Aura zu verpassen? Nichtwissen, Sentimentalität, Blauäugigkeit – oder bloß ein bisschen zu viel Bambi und Bugs Bunny? Wann wird ein Tier zum Objekt der allgemeinen Knuddel-Begierde wie Eisbär Knut – und wann zum Problem-Bären, freigegeben zum Abschuss?
Ein Exempel für die Zwiespältigkeit unserer Empfindungen ist derzeit in Floridas SeaWorld-Aquarium von Orlando zu beobachten. Dort hatte der Orca Tilikum (»Guck mal Mama, wie süß«) unlängst eine Wal-Trainerin unter Wasser gezogen und getötet. Weltweit meldeten sich prompt jene Tierschutzgruppen zu Wort, die seit Jahren die Haltung von Meeressäugern zu Show-Zwecken bekämpfen und die Schließung sämtlicher Anlagen fordern. Ob man den darin lebenden Tieren damit freilich einen Gefallen täte, ist eine andere Frage.
Der Filmstar Keiko, der in dem Hollywoodstreifen »Free Willy« die Hauptrolle spielte, hatte nach seiner Freilassung keinen Anschluss mehr an Gruppen anderer Wale gefunden und zügig wieder die Nähe von Menschen gesucht. Nach wenigen Monaten im offenen Meer bekam er eine Lungenentzündung, verweigerte die Nahrung und verendete.
Auf unserem Bild aus dem Jahre 1968 ist Shamu, der erste in Freiheit gefangene weibliche Orca, zu sehen. Ursprünglich sollte die Wal-Dame im Aquarium von Seattle dem Orca-Männchen Namu Gesellschaft leisten, doch das Pärchen geriet sich vom ersten Tag an in die – pardon – Flossen. Shamu wurde nach SeaWord versetzt, aber ihre Karriere als Entertainerin war nicht von langer Dauer: Nachdem sie ihre Trainerin im Anschluss an einen wilden Wellenritt zu lange am Bein festgehalten hatte, beorderte man sie kurzerhand in den vorzeitigen Ruhestand. Shamu starb am 23. August 1971 – in Gefangenschaft.