Palm Beach
Bei allen modernen kulturellen Impulsen bleibt zumindest das Stadtbild traditionell: Palm Beach in der Abenddämmerung. (Foto © Sean Pavone/Shutterstock.com)
Mehr als hundert Jahre lang war das auf einer Barriereinsel an der Ostküste Floridas gelegene Palm Beach ein Synonym für Reichtum und Exklusivität und einen damit einhergehenden eher althergebrachten Traditionen und Werten verhafteten Lebensstil. 2022 unterhielten in dem 9000-Einwohner-Ort nach Angaben der Palm Beach Daily News gemäß dem Wirtschaftsmagazin Forbes nicht weniger als 54 Milliardäre häufig genutzte Wohnsitze. Laut Travel + Leisure ist dieses Image aber bereits seit einiger Zeit dabei, sich deutlich zu wandeln.
Wie das Reisemagazin ausführt, hatte das vormals verschlafene Küstendorf im Anschluss an die verheerende weltweite Grippepandemie 1918 einen gewaltigen Boom erlebt und sich zu "Amerikas Riviera" und eine "Gilded-Age-Spielwiese für die Wohlhabenden" entwickelt. Wesentliche Beiträge dazu leisteten der exzentrische Architekt Addison Mizner mit seinen Prachtbauten im Mediterranean- und Spanish-Colonial-Revival-Stil sowie der Eisenbahn- und Industriemagnat Henry Flager, der hier neben luxuriösen Hotels auch seine Winterresidenz "Whitehall" errichten ließ. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließen sich in der Region viele Veteranen nieder, denen ein stetiger Zustrom gut betuchter Ruheständler folgte, die vom hiesigen warmen Klima und Lifestyle bis heute angezogen werden.
Dazu kommen in letzter Zeit vermehrt aber auch jüngere Zuzügler aus urbanen Ballungsräumen wie New York und Los Angeles – ein Trend, der durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde, da der Wunsch nach mehr Distanz zu anderen Menschen und die damit verbundene Tendenz zum Homeoffice den Sunshine State für viele zu einem Ausweichquartier werden ließ, das für nicht wenige in der Folge zum neuen Domizil wurde. Neben dem ganzjährig milden Klima spielten dabei auch Floridas niedrige Steuern eine nicht unbedeutende Rolle. Gemäß den Daten der Statistikbehörde United State Census Bureau wuchs die Bevölkerung des Palm Beach County (das neben Palm Beach und seiner auf dem Festland liegenden Nachbarstadt West Palm Beach auch Boca Raton umfasst) zwischen 2010 und 2020 um etwa 13 Prozent.
Den anspruchsvollen, städtisch geprägten Neu-Palm-Beachern folgten an ihre Bedürfnisse angepasste Restaurants, Hotels, Geschäfte und Kunstgalerien, die das Bild der Stadt in verschiedener Hinsicht modernisierten, ohne dass ihr "Retro-Glamour" dadurch beeinträchtigt wurde. So eröffnete etwa das ursprünglich in Manhattan beheimatete französische Restaurant Le Bilboquet hier ebenso eine Dependance wie das milanesische Café und Restaurant Sant Ambroeus, das ebenfalls von der Insel an der Mündung des Hudson River stammt. Neben neu eröffneten Unterkünften wie dem zur Autograph-Collection-Gruppe gehörenden The Ben in West Palm Beach, das nicht nur Gäste, sondern auch wechselnde Kunstausstellungen beherbergt, erstrahlen auch manche alt eingesessene Herbergen wie das Hotel The Colony nach einer Renovierung und Modernisierung in neuem Glanz.
Dazu kommt eine "explodierende" Kunstszene mit zahlreichen Galerien und Veranstaltungen wie dem "New Wave Art Wknd", das seit 2018 jährlich in Palm Beach im Vorfeld der "Art Basel Miami Beach" abgehalten wird und sich besonders der Förderung von Künstlern aus drei im regulären Kunstbetrieb noch unterrepräsentierten Gruppen verschrieben hat: Frauen, Angehörige sexueller Minderheiten (LGBTQ) sowie Menschen, die aufgrund äußerer Merkmale oder ethnischer Herkunft Diskriminierung ausgesetzt (BIPOC). Die Entwicklung von Palm Beach zur Stätte moderner und diverser Kunst wurde nicht zuletzt auch durch Impulse des Norton Museum of Art in West Palm Beach beeinflusst, das 2013 – mit dem erklärten Anspruch, künftig einen größeren "Fokus auf Inklusion, Diversität, Gleichheit und Zugang" zu legen – für rund 100 Millionen Dollar um fast 5500 Quadratmeter Ausstellungsfläche erweitert wurde.
Auch wenn viele prominente Einwohner der Region wie etwa Ex-Präsident Donald Trump eher für konservative Ansichten bekannt sind, geht mit dieser Entwicklung in beiden Städten auch eine Drift in Richtung linksliberaler Ideen einher. Besonders sichtbar wurde dies im Sommer 2020, als ein Wandbild auf einem Häuserblock in der Clematis Street in der Innenstadt von West Palm Beach Ikonen der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung huldigte.